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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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des Landes leben hier –, der sexuelle Missbrauch von Kindern durch Geistliche von der Kirche vertuscht würde und dass auch staatliche Behörden sehr zögerlich bei der Verfolgung von pädokriminellen Priestern vorgingen, ließ das Justizministerium eine eigene Untersuchung durchführen. Es dauerte bis zum Ende des Jahres 2009 , ehe die Ergebnisse vorlagen und unter der Kurzbezeichnung »Murphy-Report« veröffentlicht wurden. Sie stellten ein Desaster für die Kirche dar. Es bestätigte sich, dass in der Erzdiözese Dublin genau die gleichen Zustände herrschten, wie sie im Ferns-Report für die viel kleinere Diözese Ferns festgestellt worden waren. Und es bestätigte sich auch, dass verdächtige Priester vom Erzbischof durch Versetzungen, Stillschweigen und Absehen von Strafanzeigen systematisch geschützt worden waren. Da der in der kritischen Zeit verantwortliche Erzbischof Desmond Connell bereits 2003 in den Ruhestand gegangen war, mussten wenigstens die vier damals in Dublin wirkenden Weihbischöfe noch im Jahr 2009 zurücktreten. Der Bericht fasste die Erkenntnisse so zusammen: »Das Erzbistum Dublin war bis Mitte der neunziger Jahre bei Fällen von sexuellem Missbrauch von Kindern ausschließlich darum besorgt, die Geheimhaltung zu wahren, jeden Skandal zu vermeiden, den Ruf der Kirche und ihr Vermögen zu erhalten. Dem wurden alle anderen Erwägungen untergeordnet, auch die Frage des Wohlergehens der Kinder oder die Gerechtigkeit für die Opfer. Das Erzbistum hat sich nicht an kirchenrechtliche Regeln gehalten und hat nach Kräften versucht, die Anwendung staatlichen Rechts zu vermeiden.«
    Als zynisches Bonmot könnte man formulieren, der Unterschied zwischen Kirche und Mafia liege darin, dass sich das organisierte Verbrechen zumindest an die eigenen Regeln hält. Doch selbst bei nüchternster Betrachtung der Affäre bleibt die Erkenntnis, dass die irische Kirche aus eigenem Antrieb und aus eigener Kraft den Weg aus dem Sumpf nicht gesucht hat und ihn wohl auch nicht gefunden hätte. Denn der Bericht zerlegt den Verteidigungsansatz des Bistums. Die Geistlichkeit argumentierte, sie habe bis Mitte der neunziger Jahre das Phänomen des sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht begriffen, sie habe von Mal zu Mal dazugelernt. Das sei völlig unglaubwürdig, sagt der Bericht, schließlich sind die verantwortlichen Kirchenführer durchweg gebildete Leute, verfügen über Erfahrungen im Kirchen- wie im weltlichen Recht. Im 20 . Jahrhundert habe der Vatikan zwei wichtige Dokumente zu diesem Thema veröffentlicht, nur leider seien diese in Dublin nicht beachtet worden. Nur zwei kirchenstrafrechtliche Verfahren gegen Priester habe es in dreißig Jahren gegeben. Das einschlägige Kirchenstrafrecht sei den meisten Verantwortlichen offenbar unbekannt geblieben, ganz im Gegensatz zu allen Vorschriften, die etwas über die Geheimhaltung von strafrechtlichen Vorwürfen aussagen.
    Nach der Auflistung der vielen einzelnen Fehlentscheidungen der Bischöfe gegenüber pädokriminellen Priestern und ihren Opfern kommt der Bericht zu der Frage, wie denn Bischöfe für ihre Leitungsfunktion ausgewählt würden: »Die Ernennung von Erzbischöfen und Bischöfen scheint im Wesentlichen auf der Grundlage ihrer Rechtgläubigkeit erfolgt zu sein. Managerqualitäten waren offenbar kein relevantes Kriterium.« Die systematische Vertuschung pädokrimineller Handlung beruhte auf dem Prinzip der Nicht-Kommunikation. Wenn ein Weihbischof etwas wusste, sagte er es nicht dem Erzbischof, und umgekehrt. Pfarrer, die einen neuen Kaplan erhielten, wurden auf kritische Punkte in dessen Vorleben nicht hingewiesen. Eine Kultur des Schweigens pflegten vor allem kirchliche Ordensgemeinschaften, die über ihre Mitglieder nichts nach außen dringen ließen. Selbst wenn einmal ein Geistlicher zu einem Therapeuten geschickt wurde, erhielt dieser keine präzisen Informationen über die pädokriminellen Verwicklungen seines Klienten. Natürlich waren die solcherart vom Therapeuten auf mangelnder Tatsachenbasis erhobenen Befunde wertlos. Und trotzdem wurden solche Therapieberichte von der Bistumsleitung verwertet, um die Weiterverwendung des »therapierten« Geistlichen zu rechtfertigen. Nicht einmal solche Priester, die den sexuellen Missbrauch von Kindern selbst eingestanden hatten, wurden in ihrer neuen Verwendung überwacht.
    Aus den Feststellungen des Murphy-Reports lässt sich ableiten, dass mindestens in einem Zeitraum zwischen 1987 und 1996 , also

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