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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Rückgang sein?
    Wie gesagt, diese Ergebnisse beziehen sich auf die Zahl der bekannt gewordenen Fälle und nicht auf die Zahl der Fälle, die sich wirklich ereigneten. Wenn man der Theorie aus dem oben dargestellten Bericht über das Franziskaner-Internat in Santa Barbara folgt, nach dem die Opfer erst lange Jahre schweigen und verdrängen, bis sie dann in ihrem späteren Leben in eine Lebenskrise geraten, dann wäre zu erwarten, dass die Fälle aus den achtziger und neunziger Jahren meistens erst nach 2002 angezeigt wurden, das heißt, sie spielten bei der Datenerhebung für den John-Jay-Bericht keine Rolle. Aber auch andere Einflüsse könnten zu einer Veränderung geführt haben. Vielleicht sind potenzielle Täter vorsichtiger oder sehen von Taten ab, weil sie inzwischen mit Verfolgung rechnen müssen. Vielleicht nehmen die Gelegenheiten zur Tat ab, weil weniger Kinder in kirchliche Einrichtungen geschickt werden. Es könnte auch daran liegen, dass Kinder und ihre Eltern Machtansprüche von Priestern weniger akzeptieren als früher. Oder vielleicht – möglich wäre es ja – werden Priester inzwischen besser ausgewählt, ausgebildet und ihre Tätigkeit besser von den geistlichen Vorgesetzten überwacht?
     
     

Grüne Insel – Schwarze Schafe
     
    Offenbar war man in der Kirche zunächst der Auffassung, der sexuelle Missbrauch von Kindern durch Geistliche stelle ganz überwiegend ein Problem dar, das nur in den Bistümern der USA vorgekommen sei. Bis zum Jahr 2000 wurde weltweit von kirchlichen Instanzen ganz offensichtlich viel zu selten in kirchlichen Einrichtungen genau hingesehen, um Strukturen zu erkennen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern begünstigten. Dabei wäre es nur eine Sache des gesunden Menschenverstands gewesen, das Vorkommen von solchen Übergriffen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit überall dort zu vermuten, wo ähnliche Strukturen vorlagen wie in den Bistümern und kirchlichen Einrichtungen der Vereinigten Staaten. Aber statt auf gesunden Menschenverstand verließen sich die Bischöfe anscheinend weltweit auf andere beliebte Mittel: das Sankt-Florians-Prinzip und auf die Vogel-Strauß-Taktik. Auch wenn es in den US -Bistümern überall lichterloh brannte, die eigenen Häuser, so hoffte man gegen jede Vernunft, würden schon verschont bleiben. Und Vorkommnisse, die doch ruchbar wurden, die ordnete man als bedauerliche Einzelfälle ein, wie sie eben unvermeidlicherweise passieren. Dass im Verborgenen grundsätzliche, strukturelle Probleme schlummerten, wurde ebenso verdrängt wie die Existenz – aus Sicht der kirchlichen Ignoranten – längst tickender Zeitbomben in Gestalt tausender Missbrauchsopfer, die schließlich ihr jahrzehntelanges Verdrängen würden aufgeben müssen, um das erlittene Leid doch noch herausschreien zu können.
     
    Ein Bischof, der im Südosten der Republik Irland gut hunderttausend Katholiken vorstand, musste im Zusammenhang mit bekannt gewordenen Missbrauchsfällen zurücktreten. Auch hier hatte es bei einschlägigen Fällen zu wenig Konsequenzen gegeben. Wenn in seinem Bistum ein Priester beschuldigt wurde, er habe sich an Kindern vergangen, blieb es bei einer Ermahnung des Bischofs und der Versetzung des Priesters in eine andere Pfarrei. Auf der katholisch geprägten Grünen Insel traute nicht einmal die Polizei einem Geistlichen zu, ernsthaft in Verbrechen oder Skandale verwickelt sein zu können. Und obwohl die Bischöfe behaupteten, über keine Kenntnisse hinsichtlich besonderer Probleme von sexuellem Kindesmissbrauch durch Priester zu verfügen, schlossen zwischen 1987 und 1990 alle 26 irischen Bistümer Versicherungen ab gegen das Risiko von Schadensersatzprozessen, die mögliche Opfer von sexuellem Missbrauch gegen die Diözesen anstrengen könnten. Ungewöhnlich war die Klausel in den Verträgen, dass als Schadensfall nicht der ursprüngliche sexuelle Missbrauch durch einen Priester gelten sollte, sondern erst das Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen durch das Opfer. Mit dieser im Versicherungsgeschäft unüblichen Klausel wurde es möglich, auch schon längst eingetretene, nur noch nicht entdeckte »Schadensfälle« abzusichern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Die Versicherungen liefen zunächst bei der kircheneigenen Church & General Insurance Co., bis diese von der Allianz-Gruppe übernommen wurde und seither als Allianz Ireland firmiert.
    Auch in Irland sollte es noch einige Jahre dauern, bis das Thema sexueller Missbrauch von

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