Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
wurde.
Die große Konfusion erreichte inzwischen auch Rom. Am Ostersonntag des Jahres 2010 geschah auf dem Petersplatz bisher Unerhörtes. Unter dem Bruch aller liturgischen Vorschriften sprach Kardinal Sodano, als Dekan des Kardinalkollegiums der protokollarisch zweite Mann der Kirche, den Papst persönlich an und versicherte ihn der Solidarität aller Priester und Gläubigen gegen das »Geschwätz« der Presse in den Skandalen um sexuellen Missbrauch durch Geistliche. Wegen dieses Alleinganges wurde Sodano vom Wiener Kardinal Schönborn in der Presse heftig angegriffen, nicht ohne den Hinweis, es sei Sodano gewesen, der in der Vergangenheit Ermittlungen gegen den Wiener Erzbischof Groer, der 1995 wegen eines Missbrauchsvorwurfs sein Amt aufgeben musste, torpediert hatte. Der portugiesische Kardinal Martins drosch daraufhin auf seinen Kollegen Schönborn ein, da dieser mit seiner Kritik der Kirche keinen guten Dienst erwiesen habe.
Immer dringender wurde ein Wort des »Chefs« erwartet. Benedikt XVI . ließ die Kirche noch einige Wochen warten, am 11 . Juni 2010 bat er in einer Predigt um Vergebung für das Verhalten der Kirche und versprach, dass »wir alles tun wollen, um solchen Missbrauch nicht wieder vorkommen zu lassen; dass wir bei der Zulassung zum priesterlichen Dienst und bei der Formung auf dem Weg dahin alles tun werden, was wir können, um die Rechtheit der Berufung zu prüfen, und dass wir die Priester mehr noch auf ihrem Weg begleiten wollen, damit der Herr sie in Bedrängnissen und Gefahren des Lebens schütze und behüte.« Ob damit ein Ende der Krise eingeläutet wurde? Es gibt in Rom und anderswo noch viele Prälaten, die glauben, die Krise sei nicht im Verhalten der Kirche begründet, sondern die Folge von Hetzkampagnen einer kirchenfeindlichen Medienwelt. Es ist deshalb Skepsis geboten bei der Beurteilung der Frage, welche Auffassung im Umgang mit der Krise sich durchsetzen wird – das Beharrungsvermögen der althergebrachten Strukturen ist groß.
5.
Und Geld stinkt doch
Die Anfälligkeit der Kirche für die Überzeugungskraft des Mammons zeigte sich schon im vorigen Kapitel: Bisweilen hat es den Anschein, als habe die »Schadensbegrenzung« der Kirche in den Missbrauchsfällen nicht nur dem Schutz ihrer betroffenen geistlichen Mitglieder gegolten, sondern sei auch der Sorge um das liebe Geld entsprungen.
Nach dem Sexualleben ihrer Kleriker ist das Finanzgebaren der Kirche das zweite spannende Thema, das viele Menschen interessiert, wenn sie über die Kirche nachdenken, seien es Christen oder Nichtchristen. Denn beide Punkte, so verschieden sie auf den ersten Blick erscheinen, haben etwas Wichtiges gemeinsam: Sie eignen sich bestens, um subtil Macht auszuüben. Und in beiden Fällen lässt sich die Effizienz der Machtausübung noch gewaltig steigern, wenn man mithilfe religiöser Ideen beim frommen Gottesvolk den Eindruck erweckt, eine bestimmte Handlung beziehungsweise eine Unterlassung einer definierten Sünde oder eine Zahlung oder Verwendung von Vermögen sei zur Erlangung des Ewigen Heils unbedingte Voraussetzung.
Es ist in einer Gesellschaft, die sich der Geldwirtschaft einmal geöffnet hat, völlig in Ordnung, wenn gesellschaftliche Organisationen, wie sie die Kirche eine ist, über Geld und Vermögen verfügen und am Wirtschaftsleben teilnehmen. Dieser Umstand als solcher verdient keinerlei Kritik. Aber wie sie es seit Jahrhunderten macht, die Kirche mit ihrem Geld, sei es zur Vermehrung ihrer Einnahmen, sei es wofür sie ihr Geld ausgibt oder wo sie es anlegt, das ist kritikwürdig. Und wie ihre Finanzinstitutionen bis in die jüngste Zeit der Verfolgung zweifelhafter politischer Machenschaften gedient haben, das stinkt förmlich zum Himmel.
Soll und Haben eines »Monstrums«
Jesus hatte es noch einfach mit dem Geld, er hielt einen Denar des Kaisers Tiberius zwischen den Fingern und erklärte, dass dieser dem Kaiser gehöre, der darauf abgebildet war. Vor dem Hintergrund dieser biblischen Geschichte muss den Bürger, der heute im Geltungsbereich des Euro lebt, ein mulmiges Gefühl überkommen, wenn er seinen Geldbeutel öffnet und auf vielen Münzen fromme Symbole, Heilige und Kirchen, ja – sehr selten, aber immerhin vorkommend – den Papst abgebildet sieht. Eine mehrdeutige Symbolik jedenfalls, die da ungewollt entstanden ist.
Ehe jetzt Einnahmen, Ausgaben und das Verhalten kirchlicher Finanzinstitutionen näher beleuchtet
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