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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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weitere Opfer von sexuellem Missbrauch im Berliner Canisius-Kolleg bei einer Rechtsanwältin, die der Jesuitenorden dafür beauftragt hatte. Es folgten Berichte über Missbrauchsfälle in anderen prominenten Jesuitenschulen, wie St. Ansgar in Hamburg, im Bonner Aloisius-Kolleg und in St. Blasien im Schwarzwald. Teils waren dieselben Täter nach ihrer Versetzung in einer anderen Schule erneut auffällig geworden. Besonders schwer wiegt, dass es Geistliche gab, die ihr Amt im Hinblick auf moralische Forderungen oder sogar ihre Tätigkeit als Beichtvater ausnutzten, um sich Schüler gefügig zu machen.
    Der Zwischenbericht der Anwältin vom 18 . Februar 2010 enthielt ganz ähnliche Erkenntnisse über das Verhalten der Täter und den Umgang der Vorgesetzten mit den beschuldigten und straffällig gewordenen Geistlichen, wie sie aus den Berichten in USA und Irland sattsam bekannt sind. Das heißt aber auch, dass das, was Pater Klaus Mertes im Januar 2010 mit seiner Aufklärungsaktion bewegte, von den verantwortlichen Bischöfen und Schulleitern schon seit 1985 hätte bewegt werden können. Sie haben es nicht getan, sie haben »Einzelfälle« diskret aus der Welt geschafft und geschwiegen. Gab es überhaupt ein Hinsehen, ein aktives Bemühen um Verhinderung weiterer Fälle?
    Die große Beachtung, die das Missbrauchsthema jetzt im Jahr 2010 in den deutschen Medien fand, führte dazu, dass sich Opfer aus ganz Deutschland meldeten, nicht nur aus Jesuitenschulen, sondern aus Internaten der Pallottiner, der Salesianer, der Maristen, der Franziskaner und Kapuziner und der Benediktiner, deren Eliteschule im Kloster Ettal betroffen ist. Auch gegen Pfarrgeistliche wurden in fast allen deutschen Bistümern neue Vorwürfe öffentlich, die sich oft gegen längst verstorbene Priester richteten. Viele der Taten, deren Opfer sich jetzt meldeten, sind längst verjährt, sodass staatsanwaltliche Ermittlungen gar nicht erst aufgenommen wurden.
    In den ersten Monaten des Jahres 2010 wurden schon über 20 Geistliche aufgrund von Missbrauchsvorwürfen von ihren Ämtern entbunden, neben einfachen Pfarrern waren auch leitende Geistliche betroffen, darunter einer, dem Kontakte in die Stricherszene nachgesagt wurden. Der Augsburger Bischof Walter Mixa bot im April 2010 wegen anderer Verfehlungen, des Vorwurfs finanzieller Unregelmäßigkeiten und der körperlichen Züchtigung von Kindern in seiner Zeit als Stadtpfarrer von Schrobenhausen, seinen Rücktritt an, der vom Papst schnell angenommen wurde. Zwischenzeitlich waren auch gegen Bischof Mixa Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger laut geworden, der Verdacht wurde allerdings ausgeräumt.
    Man kann derzeit nicht sagen, ob inzwischen der tatsächliche Umfang des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Geistliche in Deutschland schon weitgehend bekannt ist, oder ob sich erst die Spitze des Eisbergs zeigte. Am 12 . April stellte Thomas Pfister, der für die Klosterschule in Ettal zuständige Ermittler, seinen Bericht vor, in dem es heißt: »Meine Ermittlungen ergaben eindeutig, dass in dem Kloster Ettal über Jahrzehnte hinweg bis circa 1990 Kinder und Heranwachsende brutal misshandelt, sadistisch gequält und auch sexuell missbraucht wurden.« 15 Patres, so Pfister weiter, hätten Kinder und Heranwachsende misshandelt, gegen drei Patres ermittelt die Staatsanwaltschaft. Das Kloster Ettal muss sich zudem mit mehreren Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern auseinandersetzen. Für andere Einrichtungen liegen solche Abschlussberichte bisher nicht vor. Die damit verbundene Ungewissheit ist für die Kirche in Deutschland bedrückend, und zwar für Bischöfe, Priester und die gewöhnlichen Gläubigen, die in Kirchensprache immer noch Laien heißen. Das Vertrauen in die Kirche wiederherzustellen bedeutet in erster Linie schonungslose Aufklärung der Wahrheit.
    Das Verhalten der Mehrheit der deutschen Bischöfe ist bisher enttäuschend. Man hätte sich gewünscht, dass sie sich aktiver zeigen. Offenbar gibt es keine einheitliche Linie hinsichtlich des Umgangs mit dem Skandal, was auch die verschiedenen Äußerungen zum Thema durch einzelne Bischöfe deutlich erkennen lassen. Die Bischofskonferenz macht insgesamt den Eindruck eines aufgeschreckten Hühnerhaufens, und seit Kardinal Lehmann nicht mehr Vorsitzender ist, gibt es nicht einmal mehr einen, der die Autorität des Hahnes beanspruchen könnte. Bitter rächt sich jetzt, dass das Problem 25 Jahre lang verschlafen, ja verdrängt

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