Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
oder Verhütungsmittel sollen nicht finanziert werden, ein ehrbarer Ansatz, der früher im kirchlichen Bankwesen nicht gepflegt wurde. Freilich ist die Frage, ob der hohe Anspruch angesichts der weltweit immer komplexeren Verflechtung der Wirtschaft überhaupt realisierbar ist.
Fromme Unternehmer, Banker und Betrüger
Gerade die karitative Tätigkeit der Kirche ist immer mal wieder für Skandale gut. In keinem anderen Tätigkeitsbereich der Kirche in Deutschland wird so viel Geld bewegt wie hier. Fehlende oder inkompetente Aufsichtsorgane, größenwahnsinnige Manager und der Nimbus des frommen und sozialen Wirkens führen zu Misswirtschaft und Betrug. Die Vorgänge um den Deutschen Orden sind noch in schlechter Erinnerung. Am Beispiel dieses relativ übersichtlichen, einfach strukturierten Skandals lässt sich das Ineinandergreifen der typischen Elemente kirchlicher Finanzskandale gut erkennen. Es braucht zunächst einen gerissenen Unternehmer – das kann im Einzelfall auch ein cleverer Geistlicher sein –, der vertraut ist mit frommem Gebaren und sich im kirchlichen Milieu bewegt wie ein Fisch im Wasser. Dann braucht es wirtschaftlich inkompetente Geistliche, die sich im vermeintlichen »Erfolg« des Unternehmers sonnen, seinen Schmeicheleien und Spenden für gute Werke auf den Leim gehen und bereitwillig kirchliche Einrichtungen für das vermeintlich segensreiche Wirken zur Verfügung stellen. So kann der Unternehmer einen weitgehend von staatlicher und finanzamtlicher Kontrolle freien Raum erlangen und seine Geschäftspartner mit der dargestellten Kirchennähe blenden. Eitle Politiker, die sich durch kirchliche Ehrungen oder wählerwirksame Privataudienzen beim »Heiligen Vater« – vermittelt von dem Unternehmer – einseifen lassen, können dann nützlich eingesetzt werden, um den Geschäftsgang zu befördern oder Schwierigkeiten im Verkehr mit Behörden zu umgehen.
Der Deutsche Orden, ein kleiner Priesterorden mit nur wenigen Mitgliedern, aber aufgrund seiner Gründung zur Zeit der Kreuzzüge mit traditionsreicher Vergangenheit, begann Mitte der neunziger Jahre, ein großes Rad zu drehen. Der damalige Vorsteher der deutschen Provinz, Pater Gottfried Keindl, ein früherer Polizeiseelsorger, lieh sich 250 000 D-Mark von einem Geschäftsführer der Caritas. Und dann ließ Pater Keindl seine Beziehungen spielen und kaufte ein. Als Ordensmann besaß er gute Kontakte zu vielen karitativ tätigen religiösen Gesellschaften, meistens weiblichen Krankenpflege-Gemeinschaften, bei denen aufgrund des anhaltenden Mitgliederschwunds die Unterhaltung vieler ihrer Krankenhäuser und Heime längst über ihre Kräfte ging. Das zweite Beziehungsgeflecht verband den Pater mit Spitzen der Gesellschaft, Politikern, Bankern, die es für eine große Ehre hielten, dem erlauchten Kreis der Familiaren des Deutschen Ordens anzugehören, einer Art Freundeskreis mit der Berechtigung, einen tiefschwarzen Ordensmantel mit dem silbernen Ordenskreuz zu tragen.
Zunächst hatte Pater Keindl mit dem geliehenen Geld eine Deutsch-Ordens Hospitalwerk GmbH gegründet. Damit konnte er von den Kölner Armen Schwestern vom Heiligen Franziskus zunächst deren florierendes St.-Franziskus-Hospital, das gut 25 Millionen D-Mark wert war, übernehmen. Mit diesem Vermögen im Hintergrund erwarb er in wenigen Jahren insgesamt 120 Sozialeinrichtungen aller Art in Deutschland. Die florierenden Einrichtungen mussten Verlustbringer querfinanzieren. Das konnte nicht lange gut gehen, bald war die Kreditwürdigkeit der GmbH erschöpft, das Finanzamt forderte ausstehende Steuerzahlungen, es drohte der Konkurs.
In der Presse wurden nun verschiedene Lösungen heiß diskutiert. Es wirkte sich daher günstig aus, dass der Orden seinen Sitz ins bayerische Weyarn verlegte und von den bayerischen Behörden den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen bekam. Die bayerische SPD witterte später, dass Ministerpräsident Edmund Stoiber, auch er ein Deutschordensritter, die Entscheidung durch seinen Beistand ermöglicht hätte. Die Deutsch-Ordens Hospitalwerk GmbH wurde mit der neuen Körperschaft vereinigt und damit der Geltung von Konkurs- und Steuerrecht entzogen. Die aufgelaufenen Verbindlichkeiten, die bis 2002 etwa 200 Millionen Euro erreicht hatten, mussten zum großen Teil von den Gläubigerbanken abgeschrieben werden. Staatsanwaltliche Aktivitäten gegen die Mitglieder der Ordensleitung wurden nicht bekannt, und auch ein
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