Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Gotti Tedeschi, ein Professor für Ethik des Wirtschaftslebens. Dem Opus Dei gehörte auch der 2003 verstorbene Monsignore Renato Dardozzi an, der offenbar mit einer geheimen Untersuchung der IOR -Skandale beauftragt worden war. Wenn es einen offiziellen Bericht Dardozzis über diese Untersuchung gab, wurde er im Vatikan unterdrückt oder ignoriert. Aber Dardozzi schaffte alle Dokumente dazu heimlich in die Schweiz und ordnete ihre Publikation durch seine Testamentsvollstrecker an. Diese Aufgabe übernahm der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi, dessen Buch unter dem Titel Vaticano S.p.A. (»Vatikan AG «) im Frühjahr 2009 erschien.
Kurz darauf wurde Bankdirektor Caloia vom Papst entlassen, obwohl seine Amtszeit erst Ende des Jahres 2010 abgelaufen wäre. Gründe dafür wurden vom Vatikan nicht genannt. Auch der geistliche Leiter der Bank, Piero Pioppo, wurde in die Wüste geschickt, natürlich auf elegant vatikanische Art. Er wurde 2010 Titularerzbischof von Torcello und dient der Kirche als Botschafter in Kamerun. Das Amt des geistlichen Leiters, des Prälaten der Vatikanbank, wurde abgeschafft. Am 29 . November 2009 unterzeichnete der Vatikan eine Vereinbarung mit der Europäischen Union, in der er sich verpflichtet, alle EU -Rechtsvorschriften gegen Geldwäsche, Betrug und Geldfälschung anzuwenden. Es sieht so aus, als wolle der Vatikan die finanzethischen Grundsätze, die Benedikt XVI . in seiner Enzyklika Caritas in Veritate (»Liebe in Wahrheit«) definierte, einhalten.
Der Papst beklagt in seinem Lehrschreiben ausdrücklich: »Korruption und Illegalität gibt es leider im Verhalten wirtschaftlicher und politischer Vertreter der alten und neuen reichen Länder ebenso wie in den armen Ländern selbst.« Eine explizite Erwähnung der Kirche hätte in diesem Zusammenhang nicht geschadet. Warten wir ab, ob der Sumpf im IOR mit diesen Maßnahmen endgültig trockengelegt wurde. Wenn Monsignore Dardozzi Grund hatte, die Veröffentlichung seiner Papiere auf die geschilderte skurrile Weise sicherstellen zu müssen, lässt dies nur erahnen, dass Transparenz und Legalität in Finanzfragen im Vatikan heute noch starke Gegner besitzen. Ob die Enthüllungen aus Nuzzis Buch der Grund waren oder andere Informationen dazu führten: Jedenfalls ermittelte die italienische Staatsanwaltschaft im Sommer 2010 erneut gegen das Institut für Religiöse Werke. Im Mittelpunkt stehen dieses Mal anonyme Konten, die das IOR bei italienischen Banken geführt hatte und über die Millionen von Euro an bisher unbekannte Empfänger gelangten. Die Schatten aus der Vergangenheit, die das vatikanische Finanzwesen bis heute belasten, sind lang. Und die jetzt veränderten Strukturen müssen erst noch den Nachweis erbringen, dass die Sünden der Vergangenheit nicht wiederholt werden.
6.
Der fromme Klüngel:
Opus Dei und Co.
Eigentlich ist die Grundstruktur der Kirche ja einfach: Jeder katholische Mann und jede katholische Frau gehören einer Pfarrei an, die als räumlich abgegrenztes Territorium Teil eines Bistums ist. Die Welt ist eingeteilt in 3084 Bistümer oder vergleichbare Strukturen von Aachen bis Zrenjanin (Serbien), und deren Vorsteher, meistens Bischöfe, sind alle weisungsgebunden gegenüber dem Papst in Rom. Weil es aber von Anfang an in der Kirche auch Menschen gab, die das Bedürfnis hatten, ihr Christsein intensiver zu leben als die große Herde der »normalen« Gläubigen, oder die einen Teil ihres Alltags oder ihrer sozialen Rolle besonders kirchlich prägen wollten, entstanden im Lauf der Jahrhunderte verschiedenste Vereinigungen von Gläubigen, deren unglaubliche Vielzahl vollständig von niemandem mehr zu überblicken ist. Das Spektrum reicht vom klassischen Mönchsorden bis zum wohltätigen Verein, der nur in einer einzigen Pfarrei tätig ist. Es gibt Verbände mit hunderttausenden von Mitgliedern und solche, die sich nur aus einer Handvoll Anhänger zusammensetzen. Die Gläubigen, die in einer solchen Vereinigung tätig sind, werden damit auf einer anderen Ebene mit der Kirche verbunden. Es kommt zu einer Doppelloyalität, die durchaus zu Konflikten führen kann, wenn der eigene Verband aus irgendeinem Grund mit der Kirchenhierarchie, also der Ordnung Papst-Bischof-Pfarrer über Kreuz steht. Die größeren dieser Verbände bilden Netzwerke aus und verfügen über Kanäle, durch die Informationen, Geld und Einfluss transportiert werden; es entsteht also ein Machtgefüge, das in der Lage
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