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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Regierung, allerdings, wie sich später herausstellte, mit besten Beziehungen zu allen Seiten. Der heutige Ministerpräsident Silvio Berlusconi gehörte übrigens damals auch zu dessen Entourage. Der Pakt zwischen Craxi und dem Kardinal sah vor, dass die Vatikanbank IOR ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht oder sonstigen Schuld 242 Millionen Dollar an die Gläubiger der Banco Ambrosiano zahlen sollte. Reiner Zufall war es natürlich, dass zur gleichen Zeit zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien das alte Mussolini-Konkordat neu verhandelt wurde. Und Craxi konnte es als seinen politischen Erfolg verkaufen, damit die Stellung der Kirche als Staatsreligion abgeschafft und die Zivilehe – und damit die Möglichkeit der Ehescheidung – eingeführt zu haben.
    Das Jahr 1983 wurde vom Papst zum außerordentlichen Heiligen Jahr wegen der 1950 sten Wiederkehr der Kreuzigung Christi ausgerufen. Das führte zu einer ansehnlichen Steigerung der Einnahmen des Vatikans durch die damit verbundenen hohen Pilgerzahlen. Finanziell war der Vatikan erst einmal mit einem blauen Auge der Affäre entronnen. Inzwischen wurde Marcinkus’ Rolle beim IOR immer unhaltbarer, da die italienische Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Betrugs und Bankrotts ermittelte und zu Beginn des Jahres 1987 einen Haftbefehl gegen ihn erwirkte. 1989 endlich setzte Papst Johannes Paul II . den Erzbischof als Direktor der Vatikanbank ab, ein Prozess wurde ihm nicht gemacht. Marcinkus blieb bis 1997 im Vatikan, hinter dessen Mauern geschützt vor italienischer Strafverfolgung, und starb 2006 in einer Kleinstadt in Arizona eines natürlichen Todes. Das Prinzip des Vertuschens und Verschweigens hatte wieder einmal gesiegt. Sein Kumpan Sindona war dagegen schon 1986 nach seiner Auslieferung nach Italien im Gefängnis von Voghera verstorben, jemand hatte ihm Zyankali in den Espresso gegeben.
     
    1989 wurde eine neue Organisation der Geschäftsführung des IOR geschaffen, und Angelo Caloia, ein Wirtschaftswissenschaftler und Bankier aus Mailand, übernahm die Führung der Vatikanbank. Aber es sollte dann doch auch wieder ein Prälat in der Leitungsebene mitmischen. Man fand dafür keinen besseren als den Geistlichen Donato de Bonis. Und damit hatte die Vatikanbank sich den denkbar schlechtesten Kandidaten für diese Funktion ausgesucht. Denn de Bonis war lange Jahre im IOR als Generalsekretär der Vertraute von Erzbischof Marcinkus gewesen, er kannte alle Kunden, alle Mitarbeiter, alle Tricks. Und er nutzte dies skrupellos für seine eigenen Geschäfte aus, weniger am privaten Gewinn, mehr an der Macht, am Strippenziehen interessiert. Dabei spielte er stets den bescheidenen Anhänger des heiligen Franz von Assisi. Offenbar war niemand auf die Idee gekommen, dieser fromme Prälat könnte das alte System von Marcinkus nicht nur fortsetzen, sondern sogar übertreffen. Und ein gewissermaßen amtliches Misstrauen gegen enge Mitarbeiter von überführten Missetätern sieht die kirchliche Struktur nicht vor.
    De Bonis installierte parallel zu den offiziell geführten Konten ein System von inoffiziell geführten Konten, die in der Buchhaltung der Vatikanbank nicht auftauchten. Diese lauteten auf frei erfundene Personen und auf Stiftungen, die es gar nicht gab. Die wirklichen Begünstigten waren nur dem Prälaten de Bonis bekannt. Hauptnutznießer dieses Systems war der christdemokratische Politiker Giulio Andreotti, der so Milliarden von Lire Bestechungsgelder wusch und wiederum andere damit bestach. Das konnte nur gelingen, weil die IOR im exterritorialen Vatikanstaat ihren Sitz hatte und somit den italienischen Behörden kein Zugriff möglich war. Um die Tarnung dieser Aktivitäten zu erleichtern, wurden Teilmengen dieser Schwarzgelder für kirchliche und wohltätige Zwecke ausgegeben.
    Drei Jahre lang ging dieses Treiben unbemerkt vonstatten, bis die italienische Staatsanwaltschaft im Zug einer Aktion gegen korrupte Politiker die Aktion mani pulite (»saubere Hände«) durchführte. Nach Verhaftungswellen gegen italienische Politiker ordnete auch der Vatikan eine Sonderprüfung seiner Bank an. Der Bericht deckte die kriminellen Vorgänge weitgehend auf und wurde im August 1992 dem Papst vorgelegt. De Bonis musste weg, denn der neue Skandal drohte öffentlich bekannt zu werden. Der Papst ernannte den nunmehr Ex-Banker deshalb zum Bischof und machte ihn zum Prälaten des Malteserordens. In den folgenden staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Kunden der Vatikanbank – an

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