Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
deren kriminellen Aktivitäten sie mutmaßlich gut verdient hatte, denn für Geldwäsche war eine Provision von 2 Prozent des Umsatzes üblich – mauerte der Vatikan. Man gab nur so viel zu, wie man unbedingt musste, und setzte darauf, dass aufgrund der Prominenz vieler Angeklagter es ohnedies nicht zu Strafurteilen kommen würde. Und kirchliche Mitarbeiter oder gar Geistliche wurden sowieso nicht verfolgt.
Der große Bestechungsskandal um die Aufteilung der italienischen Staatsholding ENIMONT , in dessen Zusammenhang die Aktion der mani pulite stattfand, erschütterte die Grundfesten Italiens; die bisherigen Parteien gingen unter, es verschwand die für den Vatikan wichtige Democrazia Cristiana ebenso wie Craxis Sozialisten. Aufgrund der für die Kirche auch nach den Änderungen in der Ära Craxi sehr komfortablen Bedingungen des Konkordates von 1929 leistet der italienische Staat jährlich etwa 6 Milliarden Euro an Einrichtungen der katholischen Kirche, auch an den Heiligen Stuhl als römischen Bischofssitz.
Wer die Finanzen der Kirche im Auge hat, dem kann es nicht egal sein, welche politische Mehrheit in Italien die Regierung stellt. Und wer beißt schon die Hand, die ihn füttert? Finanzielle Abhängigkeit vom Staat, hier besonders vom italienischen Staat, droht ganz grundsätzlich das Handeln und die inhaltliche Positionierung der Kirche zu korrumpieren. Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der italienischen Regierung, die heute von Silvio Berlusconi geführt wird, der Vertrauter von Licio Gelli und Bettino Craxi war und in dessen Person sich die Verquickung von Medien, Finanzen und Politik Italiens manifestiert, können deshalb nicht argwöhnisch genug betrachtet werden. Und diese Beziehungen sind kein italienisches Problem, sie betreffen die Kirche weltweit.
Leider ist festzustellen, dass die Finanzen des Vatikans, jedenfalls die wichtigste Finanzinstitution der Kirche, das dem Papst direkt unterstehende Istituto per le Opere di Religione ( IOR ), das seinen Sitz im Turm des Papstes Nikolaus V. hat, direkt neben den eigentlichen päpstlichen Gemächern gelegen, fast dreißig Jahre lang in der Hand von Kriminellen war. Sindona, Marcinkus, Calvi und de Bonis machten das päpstliche Geldinstitut zu einem Hort des organisierten Verbrechens, das Geldwäsche betrieb, Steuerhinterziehung und Devisenschmuggel ermöglichte und von dem aus Drogen- und Waffenhandel finanziert wurden.
Wie war das möglich? Nun, das Einfallstor stellt Bernardino Nogaras Idee dar, dass die Finanzen der Kirche ohne Rücksicht auf inhaltliche, ethische Prinzipien des Christentums zu verwalten und zu mehren seien. Dem hatte Papst Pius XI . einst zugestimmt und diese Entscheidung ist erst im Jahr 2008 durch Papst Benedikt XVI . indirekt revidiert worden. Die eigentlich für die Aufsicht über das IOR zuständigen Kardinäle fühlten sich aus diesem Grund nicht bemüßigt, näher hinzusehen. Finanzen und Geld waren für sie zwar notwendige, aber ungeliebte Dinge, und Ahnung vom Bankwesen hatten sie in aller Regel nicht. Der Gewinn des IOR wurde gern genommen; wie er zustande kam, wollte man nicht wirklich wissen. Die Auswahl des eigentlichen Bankpersonals wurde nicht anhand dessen Qualifikation, sondern nach dem Prinzip »family and friends« getroffen. Eine funktionierende Innenrevision wurde nicht eingerichtet, nicht einmal das banale Vier-Augen-Prinzip bei Kassen- und Überweisungsgeschäften wurde durchgesetzt. Dazu kommt infolge der hierarchischen, monarchischen Verfassung der Kirche eine Struktur der organisierten Verantwortungslosigkeit: Alle Ämter hängen direkt vom Papst ab, kein Amtsträger besitzt Befugnisse, die aus einer anderen Legitimation stammen. Und der Papst weiß nur, was er wissen will.
Benedikt XVI . war in seinen Jahren als Kurienkardinal seit 1981 mit Finanzfragen nicht befasst. Aufgrund seiner Nähe zu Papst Johannes Paul II . dürfte er aber die Skandale um das Institut für Religiöse Werke genau verfolgt haben. Schon mit der Ernennung Angelo Caloias zum verantwortlichen Bankier des IOR war hier eine Person zu Einfluss gekommen, die dem Opus Dei angehörte, einem streng konservativen Orden, dem auch Laien als Mitglieder angehören. Es wurde dann eine Art Aufsichtsrat aus Personen gebildet, die erhebliche Erfahrung im Finanzsektor aufwiesen und selbst in Vorständen und Aufsichtsräten von Großbanken tätig waren. Auch hier finden sich Personen, die dem Opus Dei mindestens nahestehen, wie Ettore
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