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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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und Indien. Wie gesagt, die kirchlichen Vorschriften sind einfach und setzen dieser Dynamik keine Schranken. Als gewöhnlicher Gläubiger stellt man sich in der Regel vor, dass so ein Ordensgründer oder eine Ordensgründerin ein ziemlich vorbildlicher Mensch sein müsse, der aus frommen Motiven handle. Aber das ist nicht immer so, Enttäuschungen bleiben nicht aus.
     
    Im Januar 1941 glaubte der Bischof von Cuernavaca, der »Stadt des ewigen Frühlings« im Süden Mexikos, Francisco González Arias, einen solch vorbildlichen Ordensgründer vor sich zu haben. Der 21 -jährige Seminarist bat ihn, eine kleine Gemeinschaft, die er gegründet hatte, offiziell als bischöfliche Kongregation anzuerkennen. Marcial Maciel, der drei Jahre später seine Priesterweihe empfing, legte dar, dass seine junge Gruppierung für das Reich Christi kämpfen wolle und sich besonders der Nächstenliebe verpflichtet sehe. Der smarte junge Priesteranwärter hatte schon ein stattliches Grüppchen junger Männer um sich geschart, von denen viele ebenfalls die Priesterweihe anstrebten. Welcher Bischof hätte sich über einen derart frommen und offensichtlich erfolgreichen Gründer einer neuen Ordensgemeinschaft nicht gefreut? Dass der Name des Instituts »Legionäre Christi« lautete, also ziemlich nach Militär und Gehorsam klang, war in der Kirche, die noch nicht vom Zweiten Vatikanischen Konzil durchgelüftet war, kein Problem. Der Bischof störte sich auch nicht daran, dass die neuen Ordensbrüder nicht nur Armut, Keuschheit und Gehorsam geloben sollten, wie dies alle Ordensleute tun, sondern zusätzlich schwören mussten, über Interna des Gemeinschaftslebens nach außen kein Sterbenswort dringen zu lassen. Auch der Umstand, dass Maciel aus ungeklärten Gründen aus zwei Priesterseminaren geflogen war und mutmaßlich nur deshalb geweiht wurde, weil er zwei Großonkel im Bischofsamt hatte, die sich für ihn einsetzten, weckte kein Misstrauen.
    Maciel schaffte es nicht nur, immer wieder junge Männer für seine Sache zu begeistern, er bewies auch Talent bei der Beschaffung finanzieller Mittel. Bischof González, der die neue Vereinigung kirchlich anerkannt hatte, starb 1946 – und musste zu Lebzeiten nicht mehr erfahren, dass er nicht nur einem frommen Schwindler aufgesessen war, sondern einem der durchtriebensten Übeltäter in der Geschichte katholischer Ordensgründungen. Er sollte nicht der einzige Gefoppte bleiben, denn es gelang Pater Maciel, seine stets adrett mit Soutanen und römischem Kragen bekleideten gehorsamen jungen Ordensbrüder in etlichen anderen Bistümern unterzubringen und so seine Gemeinschaft weiter wachsen zu lassen. 1965 erhielt er aus Rom endlich die vorläufige Anerkennung und 1983 von Papst Johannes Paul II das begehrte Prädikat »Kongregation päpstlichen Rechts«.
    Lange war es Pater Maciel gelungen, seine – sagen wir es vorsichtig – zumindest als Nebenmotive vorhandenen Absichten bei der Gründung der Ordensgemeinschaft zu verschleiern. 1997 machten mehrere ehemalige Seminaristen öffentlich, dass der Ordensgründer sie sexuell missbraucht hatte. Die ersten Vorfälle ereigneten sich bereits in den vierziger Jahren, also kurz nach Gründung der Legionäre Christi und reichten bis in die sechziger Jahre. Es wurde jetzt außerdem bekannt, dass Pater Maciel in den fünfziger Jahren sich wegen seiner Morphiumsucht einer Entziehungskur unterzogen hatte und sich anschließend einem kirchenrechtlichen Prozess stellen musste. Danach war es ihm jedoch gelungen, seine Reputation bei Kirchenleuten wiederherzustellen. Nach dieser Zeit seiner »Verfolgung«, wie der Pater es nannte, veröffentlichte Maciel ein frommes Buch mit dem Titel El salterio de mis días (»Psalter meiner Tage«), das dann innerhalb der Gemeinschaft der Legionäre Christi als Lehrbuch ihres Meisters verstanden wurde. Tatsächlich stellte das Buch nichts anderes als ein Plagiat dar, 80 Prozent des Textes waren abgeschrieben aus einem 1956 veröffentlichten Werk des 1943 gestorbenen spanischen Politikers Luis Lucia. Der Vertreter einer Rechtspartei trat in den dreißiger Jahren für einen klerikalen Ständestaat ein. Solches ultrakonservativ-antikommunistische Gedankengut stieß freilich in solchen Kirchenkreisen auf freundliches Verständnis, die im Kommunismus den Hauptgegner der Kirche sahen. Dass gerade Johannes Paul II . dem jungen Orden wohlgesinnt war, überrascht deshalb nicht. Maciel hatte sich über die Jahre durch

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