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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ist, Eigeninteressen zu formulieren und zu verfolgen. Die zuständige Ebene der Hierarchie – und das ist bei großen und wichtigen Verbänden meistens der Papst – muss dieses Verbandswesen also im Blick behalten, die Verbände seiner Macht unterordnen und seinen Interessen dienstbar machen, um nicht selbst an Einfluss zu verlieren.
    Der Vatikan hat immer versucht, kirchliche Verbände zu kontrollieren und ihre Mitglieder als Agenten der päpstlichen Macht zu gewinnen. Dies war so seit dem Mittelalter, als zuerst Benediktiner und dann Zisterzienser als Propagandisten der päpstlichen Kreuzzugsaufrufe tätig wurden. Die Päpste beherrschten und beherrschen weiter die Kunst, sich die Vielfalt der katholischen Vereinigungen nutzbar zu machen, indem sie diese in einem Wettbewerbs- und Konkurrenzverhältnis halten. Auf diese Weise entsteht im Vatikan sogar ein gewisses System von checks and balances , also von informeller Machtkontrolle der einen Gruppe durch die anderen, beruhend auf dem Eigeninteresse der verschiedenen Gruppen. Zumindest in der Theorie. Es kann natürlich auch geschehen, dass über längere Zeit hinweg bei wichtigen Ämterbesetzungen immer nur bestimmte Gruppen zum Zug kommen und sich so Seilschaften bilden, die andere Vereinigungen in ihrer Wirkung behindern und deren Mitglieder von einflussreichen Positionen fernhalten. In der mit über 26 Jahren sehr langen Amtszeit des »polnischen« Papstes Johannes Paul II . hat es einen Aufschwung von Vereinigungen und Personen gegeben, die möglichst deutlich antikommunistische Positionen vertraten. War diese Bedingung erfüllt, sah man im Rom – wie man später oft leidvoll feststellen musste – oft nicht mehr so genau hin, ob eine Person oder eine Vereinigung wirklich in jeder Hinsicht der Förderung durch den Papst würdig war.
     
     

Die Wiederkehr der Reconquista – das Opus Dei
     
    Eine der bekanntesten Organisationen, die das Vertrauen von Johannes Paul II . genossen, ist das Opus Dei. Bei Kirchenkritikern erfreut sich diese Vereinigung nicht erst seit dem Erscheinen von Dan Browns Thriller Sakrileg (original: The Da Vinci Code ) einer hohen Aufmerksamkeit, weil sie etliche Klischees bedient, die gern der Kirche insgesamt nachgesagt werden. Dies betrifft ihre sehr konservative politische Grundhaltung. Auch innerkirchlich ist die Zahl ihrer Gegner groß, vor allem aus dem Jesuitenorden und unter Befreiungstheologen und christlichen Menschenrechtsaktivisten. Abgelehnt werden das ultrakonservative Frauenbild des Opus und die von den Mitgliedern verlangte Disziplin, die bis zur Selbstgeißelung reicht. Das Opus Dei (»Werk Gottes«) wurde 1928 von dem spanischen Geistlichen Josemaría Escrivá gegründet. Er stammt übrigens aus der Stadt Barbastro, die 1064 während der frühen Reconquista von Wilhelm von Montreuil, dem »guten Normannen«, so blutig erobert wurde, und man hat den Eindruck, dass die Geburt des Opus Dei aus dem Geist der Reconquista erfolgte. Escrivá hatte verstanden, dass eine neue Ordensgemeinschaft nur lebensfähig ist, wenn sie junge, qualifizierte Mitglieder werben kann, und baute deshalb die heutige Päpstliche Universität von Navarra auf. Aus kleinsten Anfängen in den 1950 er-Jahren wuchs sie bis heute auf ca. 15 000 Studenten in allen wichtigen Fakultäten.
    Die zweite wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Neugründung bestand darin, guten Kontakt zur römischen Kurie zu halten. Escrivá zog deshalb schon 1946 nach Rom und errichtete hier seine Ordenszentrale, der schon bald eine Zweigstelle seines Bildungsinstitutes folgte, die heutige Päpstliche Universität vom Heiligen Kreuz. Prälat Gänswein, der Sekretär des jetzigen Papstes, erhielt dort übrigens eine Gastprofessur. Jedenfalls gedieh das Werk unter Johannes Paul II . und wies bei dessen Tod 2005 einen Mitgliederstand von 1900 Priestern und 85 000 Laien auf. Schon 1982 hatte der Papst das Opus Dei in die völlig neue Rechtsform einer Personalprälatur umgewandelt, das heißt, die Organisation ist sozusagen ein Bistum, das kein Territorium besitzt, sondern nur Mitglieder, die wiederum nicht mehr ihrem eigentlich zuständigen Ortsbischof unterstehen, dies gilt zumindest für die Priester des Opus Dei. Damit ist das »Werk Gottes« der Kontrolle durch die Ortsbischöfe weitgehend entzogen.
     
    Josemaría Escrivá, der 1975 verstorbene Gründer des Werks, wurde schon 1992 selig- und 2002 heiliggesprochen. Zwei Bischöfe, die Mitglieder des Werks sind, wurden zu

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