Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
konservativ-antikommunistische Ansichten und seine Erfolge bei der Anwerbung von Nachwuchs im Vatikan ein Netzwerk einflussreicher Leute geschaffen, das ihn trotz vieler Verdachtspunkte und Anzeigen vor Verfolgung schützte.
Das war auch nicht unnötig, denn einigen Bischöfen in den USA war schon 2002 der Geduldsfaden gerissen und sie hatten den Legionären Christi jede Tätigkeit in ihren Diözesen verboten. Aber in Rom hielt der Schutzschirm des zwielichtigen Paters bis zum Tod von Papst Johannes Paul II . Unter dem neuen Papst Benedikt ging es dann ganz schnell, 2006 verhängte er über Pater Maciel eine Kirchenstrafe, dieser musste sein Amt als Generaldirektor der Legionäre Christi aufgeben und sollte ein »zurückgezogenes Leben der Buße und des Gebets« führen. Auf weitere Maßnahmen verzichtete die Kirche, da der inzwischen 86 -jährige Maciel schwer krank war; er starb schließlich im Januar 2008 . Nach seinem Tod wurden überraschend weitere Teile des Doppellebens von Pater Maciel bekannt. Es meldeten sich mehrere Frauen, die mit dem Ordensgründer sexuell verkehrt hatten, und dazu eine Reihe von Kindern, es sind wohl sechs insgesamt, deren Vater Pater Maciel sein soll. Mit einer Frau und der gemeinsamen Tochter, die 1986 geboren war, lebte er gelegentlich zusammen, und zwar in einem luxuriösen Appartement in Madrid, das Maciel mit Geld unbekannter Herkunft erworben hatte. Um eine Reihe anderer Immobilien im Nachlass des Paters streiten derzeit einige seiner Kinder. Zwei seiner unehelichen Söhne beschuldigten ihn ebenfalls des sexuellen Missbrauchs, den er an ihnen in ihrem Jugendalter begangen haben soll. Am 1 . Mai 2010 gab der Vatikan mit starken Worten ein Urteil ab: Maciel habe wirkliche Verbrechen begangen. Sein Leben sei »frei von Skrupeln und wirklich religiösem Gefühl« gewesen. Deutlicher kann die Distanzierung kaum ausfallen. Doch die Einsicht kommt spät, viel zu spät. Jahrzehntelang hat man in Rom das Agieren von Pater Maciel völlig unkritisch und mit Sympathie begleitet und sämtliche Warnsignale übersehen, es wurden sprichwörtlich sämtliche Augen zugedrückt.
Und jetzt? Mit dem Tod des unheiligen Paters ist die Sache nicht ausgestanden. Sein Orden besteht nach wie vor. Etwa 800 Priester und 2500 Seminaristen, die Priester werden wollen, wurden im Geist Pater Maciels geprägt und erzogen. Die Legionäre Christi unterhalten zahlreiche Schulen und drei Universitäten und eine Presseagentur (»Zenit«), ihr Gesamtvermögen soll sich nach einer Schätzung des italienischen Magazins L’Espresso auf 25 Milliarden Euro belaufen. Um den Orden herum hatte Pater Maciel seit 1959 eine Laienorganisation aufgebaut, das »Regnum Christi«, das inzwischen auf 70 000 Mitglieder angewachsen ist. Sicher dürften nur die wenigsten von den Machenschaften Pater Maciels gewusst oder diese gar gebilligt haben. Aber wie kann es sein, dass der gesamte Führungszirkel um den unheiligen Pater über Jahrzehnte nichts mitbekommen hat? Festzustellen ist jedenfalls, dass diese Leute allesamt noch in Amt und Würden sind, und sie wachen über den Kurs ihrer inzwischen schon ziemlich großen und reichen Organisation. Der Papst hat erst 2009 fünf Bischöfe mit einer Visitation des Ordens beauftragt. Ende April 2010 legten sie ihre Erkenntnisse in Rom vor. Sie stellten fest, dass Pater Maciel seine unheiligen Machenschaften durch systematisches Entfernen von Kritikern aus seiner Umgebung decken konnte, er habe durch »… ein beklagenswertes Diskreditieren und Entfernen derer, die an seinem korrekten Lebenswandel zweifelten, und auch die irrige Auffassung, dem Guten nicht schaden zu wollen, das die Legionäre vollbrachten, um ihn herum einen Verteidigungsmechanismus geschaffen«. Der Papst erklärte, er werde einen eigenen Delegaten ernennen, der den Orden reformieren soll. Am 9 . 7 . 2010 wurde der als Finanzfachmann ausgewiesene Erzbischof Velasio de Paolis zum Delegaten, also zum kommissarischen Leiter des Ordens ernannt, er wird um seine Aufgabe nicht zu beneiden sein.
Alte Orden, neue geistliche Gemeinschaften
Generell besitzt ein einmal etablierter Orden innerhalb der Kirche ziemliche Narrenfreiheit, die – wie das Beispiel der Legionäre Christi eindrücklich zeigt – auch missbraucht werden kann. Ein Orden kann letztlich nur vom Papst gemaßregelt oder aufgehoben werden. Die Bischöfe verfügen nur über die Möglichkeit, die Tätigkeit in ihrer Diözese zu verbieten. Gleichwohl haben
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