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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Gandolfo empfangen zu werden. Der Papst hörte gern, dass diese Lehrmethode schon in etlichen Ländern zur Gründung kleiner Gruppen besonders frommer Laien geführt und auch viele Ordens- und Priesterberufungen hervorgebracht hätte. Es ist anzunehmen, dass Kiko Argüello dem Papst nicht mitteilte, was er bei Treffen mit Anhängern erzählte, dass ihm nämlich die Heilige Jungfrau Maria in einer Vision aufgetragen habe, er solle kleine Gemeinschaften besonders gläubiger Christen bilden. Auch den Titel »Apostel«, den er sich beigelegt hatte, wird er dem Papst in gebührender Demut ebenfalls verschwiegen haben.
    Über Kikos Bericht war Johannes Paul II . natürlich erfreut, und so konnte sich Argüello bei seinen Anhängern auf die Billigung des Papstes berufen. Das heute unter dem Namen »Neokatechumenaler Weg« bekannte System funktioniert so: Der »Apostel« Kiko sendet von ihm ausgesuchte »Katechisten«, das sind einfache Gläubige, deren Ausbildungsgang in der Öffentlichkeit unbekannt ist, in normale katholische Gemeinden. Dort bieten sie an, mit interessierten Gläubigen Seminare zur Vertiefung des Glaubens abzuhalten. Sie versuchen dann, quasi ersatzfamilienartige Gruppen von Gläubigen aufzubauen, die in einem sich über Jahre hinziehenden Kurs ihren Glauben allerdings erst richtig kennenlernen und leben müssten. Man selbst sieht sich als Auserwählte auf dem richtigen Weg, wogegen die anderen nur »Sonntagschristen« sind. Die Gruppe hält unter Leitung des Katechisten, der den »Geist der Unterscheidung« besitzt, mehrmals in der Woche Sitzungen ab, in der in den Schriften des »Apostels« Kiko und auch in der Bibel gelesen wird. Die Feier der Heiligen Messe, die in der Eigensprache des Neokatechumenalen Weges nicht so genannt wird, sondern »Eucharistiefeier« heißt, erfolgt nicht zusammen mit der ganzen Pfarrgemeinde; die Auserwählten feiern schon samstagabends, am liebsten unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ist der Gemeindepfarrer dazu nicht bereit, holt man sich einen Geistlichen von auswärts, der dem »Weg« nahesteht. Geld spielt keine Rolle, denn die Gläubigen spenden gern und reichlich, dazu müssen sie ein Zehntel ihres Einkommens zum Unterhalt des Katechisten abgeben. Fragen nach der Verwendung des Geldes sind unzulässig, wie auch jede Kritik am »Weg« unbotmäßig und – wie es in der Gruppe heißt – »vom Teufel eingegeben« ist.
    Das »Familienleben« der Gruppen wird intensiv gestaltet, auch die Wochenenden einbezogen, sodass der Gläubige, wenn er länger mit der Gruppe lebt, seinen alten sozialen Bezügen zwangsläufig entfremdet wird. Höhepunkte des Gemeinschaftslebens sind gemeinsame Fahrten zu Auftritten von Kiko. Um seine Person wird ein Starkult betrieben, seinen Worten wird zugejubelt. Es passt ins Bild, dass so gut wie nichts bekannt ist hinsichtlich der Biografien von Kiko oder der anderen beiden Mitgründer, die allerdings inzwischen keine Rolle mehr zu spielen scheinen. Auch die Ansprachen und sonstigen Schriften des »Apostels« werden nur intern kundgetan. Und natürlich gilt als wichtigste Regel, auf die sich die Teilnehmer des »Wegs« verpflichten müssen: Über Interna ist zu schweigen. Die Disziplin in der Gruppe wird sichergestellt durch öffentliche Beichten, die die Teilnehmer regelmäßig ablegen müssen und bei denen sie vor der ganzen Gruppe von den Katechisten, die über den »Geist der Unterscheidung« verfügen, kritisiert werden – eine Inquisition im Kleinformat.
    Es ist völlig klar, warum Kiko immer darauf besteht, dass es sich bei dem »Weg« nicht um eine Bewegung, also eine Gruppe, handele. Denn ansonsten müsste ihr Innenleben wenigstens den ohnedies nicht sehr strengen Regeln des Kirchenrechts genügen. So hingegen kann der »Apostel« im Grunde machen, was er will. Kiko hat inzwischen eine größere Anzahl von Bischöfen bewegen können, eigene Seminare für Priester einzurichten, die dem »Neokatechumenalen Weg« nahestehen. In Deutschland haben die Erzbischöfe von Köln und von Berlin, die Kardinäle Meisner und Sterzinsky, die Einrichtung solcher Priesterseminare erlaubt. Sie dürften aus Geldern des »Wegs« finanziert werden, unklar ist, wer dort wirklich die Verantwortung für die Auswahl des Lehrpersonals und der Priesteramtskandidaten wahrnimmt. Der Erzbischof von Tokio übrigens, Peter Takeo Okada, fand bei der Übernahme seines Bistums dort ein solches Priesterseminar vor und bemühte sich, es schließen zu lassen. Er

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