Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Jugendliche werden von einer eigenen Pfadfindertruppe angesprochen. Alles in allem soll etwa eine Million Mitglieder dem Engelwerk verbunden sein, darunter auch 50 Bischöfe und etliche Kardinäle. Aufgrund der problematischen Theologie der Gruppierung, die zum Beispiel eine sonst unbekannte »Engelweihe« umfasst, wird das Opus Sanctorum Angelorum, wie man sich gern auf Latein nennt, von den römischen Theologen und vielen Bischöfen mit Misstrauen betrachtet. Die Glaubenskongregation unter Kardinal Ratzinger verbot dem Werk 1992 die Engelweihe in bisheriger Form, und viele Bischöfe, vor allem im deutschen Sprachraum, haben die Tätigkeit des Engelwerks in ihren Diözesen untersagt. Allerdings konnten diese Maßnahmen das weltweite Wachstum des Engelwerks nicht wesentlich behindern.
Auch in Deutschland entstanden seit den Siebzigerjahren neue konservativ ausgerichtete kirchliche Verbände. So gefiel dem Pfadfinderseelsorger und Jesuitenpater Andreas Hönisch der neue, liberale Kurs bei der Katholischen Pfadfinderschaft Sankt Georg nicht und er gründete deshalb 1976 einen neuen Pfadfinderverein, die Katholische Pfadfinderschaft Europas, die er streng katholisch in einem sehr konservativen Verständnis ausrichtete. Aus dem Jugendverband ging eine Gruppe junger Männer hervor, die Hönisch drängten, einen eigenen Orden zu gründen. Der Pater war inzwischen aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen worden. Mit Unterstützung des Augsburger Bischofs Josef Stimpfle gelang Hönisch im Jahr 1988 die Gründung der Servi Jesu et Mariae ( SJM ), zu Deutsch: Diener Jesu und Mariens, inhaltlich stark angelehnt an den Jesuitenorden, wie er vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil bestand. 1994 erlangte der neue Orden die päpstliche Anerkennung, bis jetzt haben sich 40 Mitglieder gefunden, die 2500 Pfadfinder der KPE werden für weiteren Nachwuchs sorgen.
Die konservativen Organisationen innerhalb der Kirche erlebten in den letzten Jahrzehnten ganz offenkundig einen Aufschwung, der in Rom mit Wohlwollen begleitet wurde. Ihren Einfluss verdanken sie aber ihrer organisatorischen Schlagkraft und der Fähigkeit ihrer charismatischen Führer, Personal und finanzielle Mittel zu rekrutieren. Mit der Konzentration auf wenige Sachthemen und dem erfolgreichen Appell an die emotionale Seite der Kirchenbindung vieler Menschen haben diese Organisationen Erfolg bei ihren Zielgruppen. Frommes Leben, pragmatische Nächstenliebe und Heilsgewissheit ohne Selbstzweifel in einem romantischen, historisierenden Rahmen – das ist ein Angebot, das viele anzieht, auch wenn diese Gruppen heute in den säkularisierten Gesellschaften Europas innerkirchlich und erst recht außerkirchlich am Rand stehen. Dagegen fällt es den liberalen und linken Christen gerade in Deutschland zunehmend schwer, sich zu organisieren.
…und Laien von links
Der Dachverband der kirchlichen Linken, die Initiative Kirche von unten (IKvu), besteht seit 1980 und umfasst 38 Mitgliedsorganisationen, die zum Teil außerhalb der Kirche stehen, zum Teil innerkirchlich kaum Relevanz besitzen und sehr klein sind. Es fehlen charismatische Führungspersönlichkeiten, es wird keine Jugendarbeit betrieben und nur wenig Geld gesammelt. Dafür ist das Spektrum der bearbeiteten Themen gewaltig und führt zu einer Zersplitterung der ohnedies überschaubaren Kräfte. Ihre Themen umfassen – neben den innerkirchlichen Klassikern wie Priesterweihe für Frauen, Abschaffung des Zölibats und gemeinsames Abendmahl mit den Protestanten – Umweltpolitik, Kapitalismuskritik, Geschlechtergerechtigkeit, Friedensarbeit – und eigentlich alles, was gerade in der Gesellschaft oder in linken Kreisen für wichtig gehalten wird. Mit dieser Arbeitsweise, dem Versinken in uferlosen Thematiken, der falschen Analyse innerkirchlicher Einflussmöglichkeiten und mit der Propagierung einer deutschen National-Ökumene, die die Weltkirche außer Acht lässt, haben die linken Gruppen nur eines erreicht: Sie spielen in der Kirche keine Rolle, auch wenn sie hier und da in den Medien erwähnt werden. Diesen Initiativen kommt in den deutschen Kirchengemeinden keine Resonanz zu, nicht bei den Bischöfen und erst recht nicht in Rom. Und deshalb, das muss man ihnen deutlich sagen, fallen sie als Hoffnungsträger für eine kirchliche Erneuerung schlicht aus. Die Krise der Kirche ist auch eine Krise der kirchlichen Linken.
Gedenken wir in Pietät noch einer altehrwürdigen Laienorganisation, dem Zentralkomitee
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