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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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berühmten Thesenanschlag des Jahres 1517 , gefährlich viele Anhänger gewann, bemühte sich Herzog Georg der Bärtige von Sachsen zusammen mit seinem Hofkaplan Hieronymus Emser, dem reformatorischen Treiben etwas entgegenzusetzen. Um die frommen Sachsen in ihrem Eifer für die katholische Kirche zu stärken, musste ein eigener Heiliger her. Emser verfasste zunächst ein Lobgedicht auf Benno, das er 1506 dem Papst nach Rom brachte. Doch das reichte nicht aus. Also schrieb Emser nach seiner Rückkehr ein Buch über die Lebensgeschichte des heiligen Benno, das 1517 auch in Deutsch gedruckt wurde. Der größte Teil des Buches beruht auf Legenden und stellt eine freie Erfindung von Emser dar. Aber Papst Hadrian VI . ( 1522 – 1523 ) hatte jetzt ein Einsehen und sprach Benno am 31 . Mai 1523 heilig. Martin Luther hingegen erboste die Kanonisation von Bischof Benno auf solch dürftiger Grundlage so sehr, dass er eine Polemik dagegen aufsetzte – unter einem Titel, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ: Wider den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden . Weil aber in Sachsen die Reformation sich dennoch durchsetzte und das Grab des Meißner Bischofs von den Protestanten zerstört wurde, als sie den Dom übernahmen, ging der nunmehr heilige Benno gewissermaßen ins Exil nach Bayern, wo er heute als Stadtpatron von München dient.
    Die Kirche betrachtete ihre Verfahrensordnung zur Heiligsprechung schließlich selbst als verbesserungswürdig und führte nach dem Konzil von Trient entsprechende Änderungen durch. Zu den vielen Reformen des sparsamen und sittenstrengen Papstes Sixtus V. ( 1585 – 1590 ) gehörte auch die Schaffung einer eigenen römischen Behörde für Heiligsprechungen. 1588 rief der Papst die »Kongregation für Heilige Riten und Zeremonien« ins Leben, die auch mit der Aufgabe betraut wurde, die bisher unorganisiert vorgenommenen Heiligsprechungen einheitlich und in der Form eines kirchenrechtlichen Prozesses durchzuführen. Für die bisher schon verehrten Heiligen wurde nun ein eigenes amtliches Verzeichnis erstellt, das bis heute fortgeführte Martyrologium Romanum .
    Das in der Regel langwierige Verfahren, in dem das Leben des Kandidaten bis in jede Einzelheit akribisch geprüft werden soll, wird nur auf Antrag eines Ordens oder eines Bistums durchgeführt. Es ist auch nicht umsonst, der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, wie bei einer ordentlichen Behörde üblich. Bis zu 250 000 Euro soll eine solche Untersuchung kosten. Ohne Spenden von Gläubigen oder kirchlichen Vereinigungen oder auch von der Familie des Kandidaten geht nichts. Das führt automatisch zu einer gewissen Exklusivität des Kreises der Heiligen. Einschließlich der Seligen, die gewissermaßen eine Vorstufe der Heiligen darstellen, umfasst er heute gut 14 000 Personen, die meisten von ihnen stammen aus der Antike und dem Mittelalter, als es noch keine prozessförmigen Verfahren zur Feststellung der Heiligkeit gab. Seit 1588 bis heute sind nur 807 Menschen von der Kirche heiliggesprochen worden.
    Es existieren zwei Klassen von Heiligen: die Märtyrer, die wegen ihres Bekenntnisses zu Christus den Tod erlitten, oder die Bekenner, die in anderer Weise ihre besondere Frömmigkeit bewiesen haben. Bei den Bekennern ist es zur Heiligsprechung notwendig, dass ein »Wunder« festgestellt wird. Meistens äußert sich dieses in der Form, dass jemand auf medizinisch nicht erklärliche Weise von einer schweren Krankheit genest und seine Heilung auf die »wunderbare Hilfe« des um Beistand Angerufenen zurückführt. Diese Voraussetzung, die dem Weltbild des modernen Menschen doch ziemlich fremd ist, soll vermeiden helfen, dass ein Unwürdiger es schafft, von der Kirche zur Verehrung zugelassen zu werden. Man will schon sicher sein, dass der Betreffende es wirklich geschafft hat, nach dem Tod in das Reich Gottes einzugehen.
    Um es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich zu sagen und keine Missverständnisse zu verbreiten: Das Verfahren dient der Kirche nicht dazu, jemanden zum Heiligen zu machen, sondern nur zur Feststellung, dass der Kandidat aufgrund seines vorbildlichen Lebens wirklich heilig geworden ist. Eine Heiligsprechung sagt aber viel darüber aus, welche Lebensführung nach Auffassung der Kirche zum Vorbild für die normalen Gläubigen taugt. Von den 807 »neuen« Heiligen seit 1588 wurden allein 482 von Johannes Paul II . ( 1978 – 2005 ) kanonisiert. Nun kann der polnische Papst

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