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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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machte Rom dann auch bald seinen Frieden mit dem bisher ungeliebten Mönch. 1999 wurde er selig- und 2002 schließlich heiliggesprochen. Sein früherer Gegner, Johannes XXIII ., der ihm trotzdem in Italien an Popularität nicht nachsteht, brachte es bis heute »nur« zur Seligsprechung. Wie gesagt, die letzte Entscheidung über eine Heiligsprechung liegt immer beim Papst. Und so lassen sich hinter Heiligsprechungen und Nicht-Heiligsprechungen doch kirchenpolitische Erwägungen erkennen.
     
    Das Mezzogiorno hat noch weitere Glaubenssensationen anzubieten. Nur 150 Kilometer nordwestlich von San Giovanni Rotondo liegt die abruzzesische Kleinstadt Lanciano. Hier gibt es einen Beleg für eine zentrale Glaubenswahrheit der Kirche zu bestaunen. Nach katholischer Auffassung werden während der Heiligen Messe die Hostie und der Wein vom Priester in den Leib und das Blut Christi verwandelt und als solches von den Gläubigen in der Kommunion empfangen, auch wenn sich rein äußerlich nichts verändert hat oder nichts Besonderes daran erkennen lässt. Immer schon hat diese sehr schwer zu verstehende Glaubensfrage bei Christen zu Zweifeln geführt. So soll es nun auch in Lanciano im frühen 8 . Jahrhundert einem Basilianermönch ergangen sein, der nach dem Brauch der Orthodoxen sonntags die Heilige Messe zelebrierte. Unteritalien lag damals noch im Gebiet des oströmisch-byzantinischen Kaiserreichs, sodass auch kirchlich dort die östliche Tradition vorherrschte. Doch gerade hinsichtlich der Frage der wirklichen Verwandlung von Brot und Wein in der Heiligen Messe existiert zwischen Katholiken und Orthodoxen kein Unterschied in der Lehre.
    Nun soll der zweifelnde Mönch – vermutlich mit einigem Schrecken – bei der heiligen Handlung bemerkt haben, dass das Brot sich sichtbar in ein Stück Fleisch verwandelte und der Wein wirklich zu Blut wurde, das sich auch noch entsprechend der Zahl der Wunden Christi in fünf Portionen teilte. Wie er mit dieser Situation umging, ist leider nicht überliefert. Aber das Stück Fleisch und die fünf Portionen Blut werden noch heute in Lanciano in der Kirche der Franziskaner-Minoriten aufbewahrt. Nach einer medizinischen Untersuchung aus dem Jahr 1970 soll es sich um menschliches Herzmuskelfleisch und um Blut der Blutgruppe AB handeln.
    Solche Verwandlungen der geweihten Hostie in echtes Fleisch kommen öfter vor; in Italien sind weiterhin bekannt die Hostienwunder von Trani in Apulien und von Alatri und Bolsena in Latium. Die Blutgruppen dazu wurden bislang nicht erforscht. Auch in einer Vorstadt Neapels ereignete sich erst 1772 ein solches Wunder, bei dem die Hostie sich immerhin rot verfärbte. Leider wurde das Beweisstück in der Nacht vom 23 . auf den 24 . Oktober 1978 , am Tag des heiligen Johannes von Capistrano, eines Inquisitors aus dem Franziskanerorden, dem wir bereits im Kapitel über das Verhältnis der Kirche zu den Juden begegnet sind, aus dem Heiligtum in San Pietro a Patierno gestohlen und bis heute nicht mehr aufgefunden.
     
    Von Lanciano aus ist es nur eine Stunde Fahrzeit bis ins nordwestlich davon gelegene Städtchen Manoppello, das die vielleicht vornehmste Reliquie der Christenheit birgt. Dort bewahren die ansässigen Kapuziner seit mindestens 1638 das Volto Santo (»Heiliges Antlitz«), angeblich ein Porträt von Christus auf Muschelseide von unbekannter Herstellungsart. Es soll sich, sagen Gläubige, um das Tuch handeln, das dem toten Christus bei der Bestattung auf das Gesicht gelegt wurde. Laut einer anderen Lesart ist es das echte Schweißtuch, das Jesus bei der Kreuztragung von Veronika gereicht wurde und auf dem sich sein Gesichtsabdruck eingeprägt hat. Anders als das berühmtere Turiner Grabtuch, das im Jahr 2010 für wenige Wochen zu sehen war, ist das Volto Santo ganzjährig ausgestellt. Erstaunlicherweise hält sich die Zahl der nach Manoppello Pilgernden sehr in Grenzen.
    Sizilien darf im Reigen der Wunder natürlich nicht fehlen. In der Wallfahrtskirche von Tindari, gelegen an der Nordostküste der Insel, ist eine Schwarze Madonna, die auf wundersame Weise in einer Kiste an Land geschwemmt worden sein soll, das Ziel von Pilgern. Weiter westlich, in der Hauptstadt Palermo, verehrt man den unversehrten Leib der heiligen Rosalia. Diese Einsiedlerin aus dem 12 . Jahrhundert war eigentlich schon so gut wie vergessen, als sie plötzlich 1625 zwei Mönchen erschien. Freundlicherweise führte Rosalia die beiden Brüder zu ihrem unverwesten Leichnam, der daraufhin

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