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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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echte Spiritualität nicht ohne frommen Betrug auskommen? Nun, vielleicht ist das eine zu diesseitige Sicht der Dinge.
     
     

Komische Heilige und andere Peinlichkeiten für moderne Christen
     
    Aber es gibt sie ja, die Beispiele dafür, dass die Kirche zurückgerudert ist, zurückrudern musste, weil es zu offensichtlich noch am kleinsten historischen Beweis für die Existenz mancher Heiliger fehlte, die angeblichen Reliquien zu auffällig gefälscht waren. Vom Zweiten Vatikanischen Konzil war an die Römische Kurie der Auftrag ergangen, das Martyrologium, also das offizielle Heiligenverzeichnis, zu überarbeiten, um es in Übereinstimmung mit der historischen Wahrheit zu bringen. Zudem hatte man einige Peinlichkeiten aus dem Katalog gestrichen, wie das angebliche Ritualmordopfer Simon von Trient oder den historisch nicht nachweisbaren Achatius, der am Berg Ararat zu Tode gekommen sein sollte. Die »doppelte« Märtyrerin Eulalia wurde auf eine Person reduziert und auch Sankt Christophorus, laut einer östlichen Legende ein hundsköpfiger Riese, war offiziell kein Heiliger mehr.
    Aber hier hatten die römischen Theologen den Widerstand der Frommen unterschätzt, 2001 wurde gerade der heilige Christophorus wieder eingeführt und 2004 etliche der früher gestrichenen Heiligen, darunter viele italo-griechische Mönche aus Süditalien, ebenfalls wieder anerkannt. Am Kult prominenter Heiliger wie Sankt Georg oder der Sieben Schläfer von Ephesus hatte man erst gar nicht rütteln wollen, obwohl ihr Leben reine Legende ist. Der Ansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils, der historischen Wahrheit ihren Durchbruch zu ermöglichen, konnte also in vielen Fällen gegen die Ehrwürdigkeit und das Alter eines von vielen Gläubigen geübten Heiligenkultes nichts ausrichten.
    Ähnlich steht es mit altehrwürdigen Reliquien, meist Gebeinen von legendärer Herkunft, aber auch Textilien, Partikel und Nägel vom Kreuz Christ, die oft von Kreuzfahrern als Wallfahrtsandenken aus Palästina mitgebracht wurden. Besonders skurrile Stücke sind noch älteren Datums, wie die Sandalen Christi, die 752 erstmals dokumentiert sind als Geschenk des Papstes an den Frankenkönig Pippin den Kurzen. Sie gelangten in die Abtei Prüm in der Eifel und sicherten den dortigen Benediktinern den Besuch zahlreicher Wallfahrer und den damit verbundenen Wohlstand. Der benachbarte Bischof von Trier hatte so lange das Nachsehen, bis ihm eine glückliche Fügung angeblich schon 1196 den Leibrock Christi in die Hände spielte. Öffentlich gezeigt wurde er allerdings erst seit 1512 . Der Heilige Rock war für Wallfahrer viel attraktiver als die unansehnlichen Sandalenkrümel und so konnte der inzwischen wirtschaftlich erfolgreiche Bischof von Trier die Abtei Prüm 1574 übernehmen und sie seinem Bistum einverleiben.
    Trotz seiner von Anfang an zweifelhaften Herkunft erfreuen sich Wallfahrten zum Heiligen Rock bis heute großer Beliebtheit, für 2012 wird zu einer großen Jubiläumswallfahrt eingeladen. Gut, die Echtheit des Rockes behauptet die Kirche heute selbst nicht mehr, aber in 500 Jahren frommer Pilgertradition sieht sie genügend Grund zum Feiern. Die Besucherzahlen wurden immer gewaltiger, im Jahr 1844 pilgerten über eine Million Menschen zu der sieben Wochen lang zur Schau gestellten Reliquie. Diese Trierer Wallfahrt zog aber auch ein ziemlich negatives publizistisches Echo nach sich, der Journalist Otto von Corvin nahm sie zum Anlass, ein Kirchenhasser-Buch mit dem Titel Historische Denkmale des Christlichen Fanatismus zu schreiben. Erfolgreich wurde allerdings erst die 1869 erschienene zweite Auflage, umbenannt in Pfaffenspiegel , die so recht in das Klima des bismarckschen Kulturkampfs passte und in wenigen Jahren 1 , 6 Millionen Exemplare verkaufte.
    Viele der alten Reliquien sind heute noch Kristallisationspunkte für Glaubensbekundungen, sei es das Haus der Maria in Loreto, das 1291 auf wundersame Weise aus dem gerade für die Christenheit verlorenen Heiligen Land in die italienischen Marken transportiert wurde, seien es die Aachener Heiligtümer, das sind die Windel und der Lendenschurz Jesu, zusammen mit dem Tuch, in den das Haupt Johannes’ des Täufers gewickelt war, und einem Kleid der Muttergottes, von Karl dem Großen gestiftet. Karl der Große war es auch, der aus seinem offenbar reichen Reliquienbestand, den er vermutlich aus der byzantinischen Hauptstadt Konstantinopel bezogen hatte, das beste Stück dem Papst schenkte. Als Dank für die

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