Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Lebens unter Hausarrest verbringen. Es dauerte dann fast vier Jahrhunderte, bis die Kirche in beiden Fällen ihre Fehler eingestand. »Und sie bewegt sich doch«, könnte man sagen, genauso wie Galilei gemurmelt haben soll, nachdem er seiner Idee hatte abschwören müssen.
     
     

Der diktierte Glaube
     
    Die politischen Veränderungen seit der Französischen Revolution 1789 und schließlich der Untergang des alten Kirchenstaates im Zuge der italienischen Einigung – 1870 fiel Rom und wurde im darauf folgenden Jahr Hauptstadt des Königreichs Italien – beendeten die Möglichkeit der Römischen Inquisition, gegen einzelne Gläubige tätig zu werden. Die Behörde wurde aber deshalb nicht aufgehoben, sondern umstrukturiert und umbenannt, 1908 hieß sie »Heiliges Offizium« und seit 1965 »Kongregation für die Glaubenslehre«. Seit dem Wegfall der Aufgabe, den Index verbotener Bücher zu erstellen, diente sie nur dem Zweck, weltweit die Lehrmeinungen katholischer Theologieprofessoren und Geistlicher zu kontrollieren. Alles muss mit der offiziellen Lehre der Kirche übereinstimmen. Hinzu trat die Aufgabe, bestimmte schwere Vergehen nach dem Kirchenrecht zu untersuchen, zunächst solche, die die Sakramente betrafen, und seit 2001 ist sie auch für die Untersuchung von sexuellem Missbrauch an Kindern durch Geistliche zuständig.
    Heute besteht die Kongregation für die Glaubenslehre aus etwa 20 Kardinälen und Bischöfen, die sich alle zwei Jahre zu einer Vollversammlung treffen, und etwa 30 weiteren Mitarbeitern, geistlichen Sachbearbeitern und Sekretären. Dazu kommt ein fester Stamm externer Berater. Die Kardinäle und Bischöfe bekleiden in aller Regel noch eine ganze Anzahl weiterer Ämter im Vatikan, oder sie sind irgendwo in der Welt in ihrem Bistum tätig. Diese überraschend geringe Kapazität an Mitarbeitern stellt im Vatikan die Regel dar. Insgesamt beschäftigt die Kirche im Vatikan und am Heiligen Stuhl aktuell 4653 Mitarbeiter, die mit der Kirchenleitung im weitesten Sinne befasst sind, vom Papst bis zum Hausmeister. Das entspricht ungefähr der Größenordnung der Mitarbeiterzahl, die der deutsche Automobilclub ADAC für die Verwaltung und Unterstützung seiner etwa 16 Millionen Mitglieder einsetzt. Dass Entscheidungsprozesse im Vatikan oft lange dauern und öfter der Eindruck mangelnder Professionalität entsteht, hat auch damit zu tun, dass die Kirche mit 1 , 2 Milliarden Gläubigen weltweit von einem sehr kleinen Apparat betreut wird.
    Seit 1978 , also in den ersten Jahren des Pontifikats von Johannes Paul II ., gelangte die Glaubenskongregation in den Medien zu einer gewissen, allerdings negativen Aufmerksamkeit, weil gegen eine Reihe von bekannten – und gegen viele weniger bekannte, insgesamt gut 100 – Theologen Sanktionen verhängt wurden. Freilich hatten diese Maßnahmen nicht überall den von der Kirche gewünschten Erfolg. In etlichen prominenten Fällen aus der Zeit des vorigen Papstes führten Maßnahmen der Glaubenskongregation gegen einzelne Theologen nicht zu einem Verschwinden der für falsch gehaltenen Thesen. Im Gegenteil, durch die Reaktion der Medien erlangten sie oftmals erst echte Popularität und die betroffenen Theologen erhielten breite Beachtung für ihre kritischen Aussagen. Dem Schweizer Theologen Hans Küng, der den heutigen Papst noch aus der gemeinsamen Zeit als Theologieprofessoren der Tübinger Universität in Tübingen gut kennt, wurde 1979 die kirchliche Lehrbefugnis entzogen. Grund war im Wesentlichen seine Kritik am 1870 verkündeten Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes.
    Leonardo Boff, der südamerikanische Befreiungstheologe, wurde 1985 gemaßregelt und erhielt ein Rede- und Lehrverbot. Dies erfolgte schon unter der Ägide von Kardinal Ratzinger, der seit 1981 bis zu seiner Wahl zum Papst Präfekt der Glaubenskongregation war. Grund der Verurteilung waren weniger spezielle Positionen zur Befreiungstheologie, sondern das Kirchenbild von Boff. Nach seiner Auffassung kann die von Christus gewollte Kirche eine andere sein, als die konkret bestehende katholische Kirche. Auch er ist dem heutigen Papst persönlich bekannt, Kardinal Ratzinger war Zweitgutachter von Boffs an der Universität München verfassten Doktorarbeit. Er hatte seinen früheren Schüler 1984 zur Aussprache nach Rom eingeladen und bot ihm den gleichen Stuhl an, in dem 350 Jahre zuvor Galilei befragt wurde. Boff fand solche inquisitorische Traditionspflege nicht lustig.
    Der US -amerikanische

Weitere Kostenlose Bücher