Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
frommer und bußfertiger Gesinnung einen Ablass von 40 Tagen von ihrer Sündenstrafe im Fegefeuer erwerben.
Stundenlang dauerten solche Gottesdienste, denn nach der Bußpredigt des Inquisitors wurden von Notaren umständlich und detailreich die Geständnisse der Delinquenten verlesen, anschließend mussten diese ihre Sünden bekennen und erhielten die letzte Gelegenheit, ihrem Irrglauben abzuschwören. Dann wurde das Urteil verkündet. Einer nach dem anderen aus der meist langen Reihe der Unglücklichen, oft mehr als hundert Personen, wurde einzeln abgehandelt, erst die leichten Fälle, zum Schluss die schweren, die Rückfälligen, die dem »weltlichen Arm« zugeführt werden sollten. Todesurteile wurden außerhalb der Kirche verkündet, da man das Haus Gottes nicht entweihen wollte. Die eigentliche Hinrichtung der Todeskandidaten auf dem Scheiterhaufen fand erst am nächsten Tag statt, denn noch einmal sollten die Verworfenen Gelegenheit zur Buße erhalten. Bereute der zum Tod Verurteilte in letzter Minute, wurde ihm die »Gnade« zuteil, vor dem Verbrennen erdrosselt zu werden. Die Kirche legte Wert darauf, dass die Verurteilten vielleicht doch noch ihre Chance auf die ewige Seligkeit bewahrten, ihre körperlichen Leiden und der Tod erschienen dagegen unbedeutend. Die weltlichen Güter der Delinquenten nahm man gern, natürlich nur, um sie frommen Zwecken zuzuwenden.
Niemand erwartete die spanische Inquisition in den Kolonien, und doch wurde sie auch in Lateinamerika eingeführt. Es mangelte aber an geeigneten Ketzern, vor allem an wohlhabenden Delinquenten, deshalb erlangte sie dort wenig Bedeutung. Einem späteren Heiligen, dem Jesuiten Franz Xaver, ist es zu verdanken, dass auch die portugiesische Kolonie Goa in Indien in den zweifelhaften Genuss der Inquisition kam. Der Missionar hatte nämlich entsetzt festgestellt, dass die mit Reis und anderen Geschenken zur Taufe bewogenen armen Inder ihre Bekehrung nicht ernst genug nahmen. Allerdings stand die Geistlichlichkeit in Goa zunächst vor einem besonderen Problem: Wie sollte man die neuen Christen von der Erlaubtheit des Feuertodes für Sünder überzeugen, wo man ihnen doch gerade die Witwenverbrenung ausgeredet hatte? Trotzdem wütete die Inquisition dort besonders heftig, der Ketzerei verdächtig galten schon Vegetarier, da die Europäer den Verzicht auf Fleisch als hinduistischen Brauch ansahen. Mehrere tausend Todesopfer sind in Goa zu beklagen.
In Portugal und dessen Kolonien wurde mit den Reformen des portugiesischen Aufklärers, des Marquis von Pombal, im 18 . Jahrhundert das Ende der Inquisition eingeläutet. Ihre spanische Entsprechung, die ja wie eine Behörde organisiert war, erwies sich dagegen als zäher. Bis 1834 hatte sie Bestand und sie hält den traurigen Rekord, für das letzte Todesopfer der Inquisition verantwortlich zu sein. Im Jahr 1824 zeigte der Erzbischof von Valencia, Simón López García den armen Schullehrer Cayetano Ripoll an. Er warf ihm Ketzerei vor, die er seinen Schülern lehre. Tatsächlich hatte Ripoll als Kriegsgefangener in Frankreich unter Napoleon Kontakt zu Quäkern gehabt. Von den Mitgliedern dieser evangelischen Freikirche, die schon damals für ihr humanitäres Engegament gelobt wurde, hatte er angeblich deistische Grundsätze gelernt. Jedenfalls schickte er seine Schüler nicht zur Feier der heiligen Messe und ersetzte im Schulgebet die Worte »Gegrüßet seist du Maria!« jedes Mal durch »Gott gebührt alles Lob!«. Dieses Vergehen reichte der Inquisitionsbehörde von Valencia für ein Todesurteil, das 1826 vollstreckt wurde. Als kleine Konzession an die neue Zeit erhängte man den Verurteilten und schürte nur zur Dekoration ein symbolisches Feuer unter dem Galgen.
Zensur des Denkens
Diese späten Ausblühungen der Inquisition waren noch nicht erkennbar, als in Rom Papst Paul III . sich mit den Auswirkungen der Reformation in Deutschland befassen musste. Zumindest zur Verteidigung des Kirchenstaates und möglichst ganz Italiens gegen die protestantischen Umtriebe, die sich jenseits der Alpen Bahn brachen, schien es ihm richtig, sich auch eine Inquisitionsbehörde zuzulegen, nach spanischem Vorbild. 1542 gründete er als zentrale Behörde die »Heilige Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition«. Sie bestand aus sechs Kardinälen, die darüber urteilen sollten, welche theologischen Aussagen mit der Lehre der Kirche übereinstimmten und welche nicht.
Die wichtigste Aufgabe der neuen
Weitere Kostenlose Bücher