Schwarzbuch ÖBB
automatisch gebremst – bei Autos gibt es so etwas nicht.
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Bei Zügen sind gefährliche Gütertransporte deklariert und bekannt – bei Gütertransporten auf der Straße wird diese Vorschrift gerne umgangen.
Sicherheit kann gefährlich sein
Zur Gewährleistung der Sicherheit von Reisenden gibt es bei der Eisenbahn zwei gegensätzliche Tendenzen: einerseits zu viel, andererseits zu wenig. Einige Vorfälle lassen darauf schließen, dass sich die ÖBB in manchen Bereichen zu wenig um die Sicherheit der Kunden kümmern.
In der ÖBB -Gewerkschaftszeitung Makrofon konnte man im Juni 2011 nachlesen, wie das Management auf einen technischen Prüfer reagierte, der bei einem Railjet einen »gefährlichen« Schaden entdeckte und den Zug deshalb aus dem Verkehr ziehen ließ. Weil das zu einer Zugverspätung führte, forderte ein hochrangiger ÖBB -Manager die Vorgesetzten des Prüfers auf, diesen »bis auf weiteres nicht mehr auf Zügen der Personenverkehr AG einzusetzen«. Der Prüfer wehrte sich gegen diese Maßregelung, und erst als die Sache heftige firmeninterne Diskussionen verursachte, ruderte das Management zurück.
Unzureichende Schulungen
Im selben Jahr – 2011 – begannen die ÖBB damit, Personal einzusparen. Der Plan sah vor, Schnellbahnen in Zukunft ohne Schaffner zu führen; oder wie es in der neuen Bahnsprache heißt: ohne Zugbegleiter. Das bedeutete, den Lokführer zum Allein-Verantwortlichen zu machen, auch für die Sicherheit der Reisenden.
Derartige organisatorische Veränderungen werden in Firmen üblicherweise von umfangreichen Umschulungen begleitet. Die Art und Weise, wie das bei den ÖBB geschah, führte zu heftiger Kritik am Management. Die ÖBB erklärten Anfang Juli 2013, dass vor der Ausweitung des zugbegleiterlosen Betriebs alles mit dem Betriebsrat abgestimmt wurde. Es seien ausreichende Schulungen und Nachschulungen mit Lernzielkontrollen durchgeführt worden.
Hilflose Helfer
Während unserer Fahrt auf der Nordbahn erzählte Friedrich Z. von Lokführer R. , der im Oktober 2011 in einem firmeninternen Schreiben Kritik an der »unübersehbaren Zahl« von Dienstanweisungen, Aushängen, Mails, Video-Botschaften, fehlerhaften Signal-Aufstellungen und Widerrufen im Befehlsbuch geäußert hatte. Einige Wochen später nahm ich Kontakt mit Lokführer R. auf, der wegen seiner Kritik am schaffnerlosen Personenverkehr in große Schwierigkeiten geraten war. Es genüge nicht, hatte er schriftlich bemängelt, ihm ein paar Stunden Frontalunterricht zu erteilen sowie eine Dienstanweisung und eine sechzehnseitige »Richtlinie« für Notfälle auszuhändigen.
Denn wie solle er, ohne je geprobt zu haben, in einem Notfall folgende Entscheidungen treffen:
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auf welche Weise die Reisenden evakuiert werden müssen
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was zu tun ist, wenn er selbst verletzt und handlungsunfähig ist
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was zu tun ist, wenn die Zugbremsen – wie beim Unfall in Braz – nicht funktionieren
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wie er mit panischen Reisenden umgehen soll
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wie er einen Brand im Tunnel wirksam bekämpfen soll
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wo die Fluchtwege sind, die er nie zuvor begangen hat
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wie die Rettungsfahrzeuge einzuweisen sind
Zu Hilfe
Lokführer R. kritisierte auch, dass viele seiner Kollegen nicht einmal Gelegenheit gehabt hatten, Erste-Hilfe-Kurse zu absolvieren. Bei Führerschein-Prüfungen im Straßenverkehr sei so etwas verpflichtend. Zusammenfassend schrieb er, dass die ÖBB ihn und seine Kollegen nicht in die Lage versetze, im Notfall richtig zu reagieren. Das sei fahrlässig gegenüber den Fahrgästen.
Fünf Wochen lang bemühte er sich, bei seinen Vorgesetzten konkrete Antworten auf seine Fragen zu erhalten – erfolglos. Schließlich schickte er am 7. November 2011 eine E-Mail an Betriebsräte und ÖBB -Manager, unter anderem auch an Generaldirektor Christian Kern, in der er seine Kritik wiederholte und Antworten auf seine Fragen einforderte.
Zur Strafe
Zwei Tage später teilte ihm die ÖBB -Produktion GmbH mit, er sei nun »definitiv außer Dienst gestellt«. Denn, so lautete die Begründung, es müsse bei ihm »eine teilweise Unkenntnis der Betriebsvorschriften angenommen werden«. Außerdem spreche er selbst in seiner E-Mail die Vermutung aus, sich in bestimmten Situationen falsch zu verhalten. Für eine Wiederzulassung als Lokführer müsse er eine Prüfung ablegen und sich einem »Mitarbeitergespräch« bei einer Führungskraft unterziehen.
Das war aber noch nicht alles. Als zusätzliche Strafe für seine unbequemen Fragen wurde er zum
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