Schwarzbuch ÖBB
PORR gemacht – die ebenfalls ganz wesentlich von Aufträgen der öffentlichen Hand lebt. Hesoun war bei der PORR zwischen 1982 und 1987 für die Bauleitung und Inbetriebsetzung von Großkraftwerken der Siemens-Tochter Kraftwerk Union verantwortlich.
Dass Hesouns Onkel Josef jahrzehntelang eine Schlüsselfunktion in der österreichischen Gewerkschaft spielte, ist für den jetzigen Siemens-Chef sicher kein Nachteil. Wenn der Staat viel Geld ausgibt, geht es Siemens gut. Wenn der Staat spart, muss auch Siemens den Gürtel enger schnallen – so simpel ist das.
So ist es kein Wunder, dass der derzeitige Chef von Siemens Österreich Ende des Jahres 2011 vor der Sparpolitik des Staates warnte und die Schuldenbremse kritisierte. Würde der Staat tatsächlich zu sparen beginnen – also beispielsweise tatsächlich aufhören, Jahr für Jahr Schulden zu machen –, hätte das wohl massive Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn von Siemens.
Österreichische Hilfe für deutsche Siemens-Zentrale?
Trotz des vorsichtigen staatlichen Sparkurses macht Siemens immer noch fette Beute. Beispielsweise überwies Siemens Österreich laut Presse für das Krisenjahr 2010/11 an die Muttergesellschaft einen Bilanzgewinn von mehr als einer Milliarde Euro. Und das, obwohl operativ nur rund 71 Millionen verdient worden waren. Im Jahr davor hatte Siemens Österreich offiziell sogar Verluste gemacht und trotzdem 420 Millionen nach Deutschland überwiesen. Offenbar verfügt Siemens Österreich über jede Menge Geld, das bei Bedarf nach Deutschland überwiesen wird. Wer hat, der hat – dank staatlicher Ausgabenpolitik.
Es ist sicher auch kein Schaden für Siemens, dass die Frau des derzeitigen ÖBB -Chefs Christian Kern, Eveline Steinberger-Kern, bei Siemens Österreich eine nicht unbedeutende Position einnimmt, denn die österreichischen Eisenbahnen sind einer der wichtigsten Auftraggeber des deutschen Konzerns. Eveline Steinberger-Kern ist Leiterin des Energie-Sektors mit 3500 Mitarbeitern, hat also mit den ÖBB nichts zu tun.
Welche Verbindungen es zwischen Siemens und den ÖBB gibt, kann man anhand einer aktuellen Bestellung von ÖBB -Zügen für den Nahverkehr studieren.
Im Jahr 2010 führte die Bayerische Eisenbahngesellschaft für den Personenverkehr der Strecke München–Mittenwald eine europaweite Ausschreibung durch. Überraschenderweise bewarben sich auch die ÖBB – obwohl sie sich in Österreich immer vehement gegen Konkurrenz und öffentliche Ausschreibungen aussprachen.
Bei der Ausschreibung in Deutschland mussten die ÖBB das für den Betrieb vorgesehene Zugmaterial deklarieren.
Siemens gewinnt
Aber woher nehmen und nicht stehlen? Also mussten neue Züge bestellt werden. Und weil es sich um einen großen Auftrag handelte, gab es dafür eine europaweite Ausschreibung. Siemens gewann und erhielt von den ÖBB einen Rahmenvertrag von bis zu 200 Regionalzügen namens Desiro ML im Wert von einer Milliarde Euro.
Erwartungsgemäß unterlagen die ÖBB bei der Ausschreibung für den Personenverkehr München–Mittenwald. Das Rennen machte die Deutsche Bahn, und der Vertrag mit Siemens landete in der Schublade.
Hinter den Kulissen
2012 zeichnete sich ab, dass die ÖBB für Wien und die angrenzenden Bundesländer neue Nahverkehrstriebwagen benötigen. Sie planten nun, den alten Rahmenvertrag über die Lieferung von bis zu 200 Zügen der Marke Desiro ML wiederzubeleben. Die Fachzeitschrift Eisenbahn Österreich schrieb im Heft 3/2013: »Es war kein Geheimnis, dass vor und hinter den Kulissen politische und andere Fäden gezogen wurden, damit nur die Firma Siemens mit ihrem Angebot zum Zuge kommen würde.«
Weiters berichtete Eisenbahn Österreich : Um über die Bestellung zu entscheiden, habe der Aufsichtsrat der ÖBB -Personenverkehr AG für den 30. Jänner 2013 eine Sitzung geplant. Da sei es den für Siemens eintretenden Personen jedoch nicht gelungen, alle Aufsichtsratsmitglieder auf Vordermann zu bringen. Widerstand habe sich abgezeichnet, und man habe sogar mit einer kompletten Neuausschreibung rechnen müssen. Das hätte jedoch die Chancen von Siemens auf einen ÖBB -Großauftrag rapide verringert. Möglicherweise wäre eine Konkurrenzfirma zum Zug gekommen. Was tun?
Entscheidung für Siemens
Laut Eisenbahn Österreich seien hinter den Kulissen die Siemens-Freunde nicht untätig geblieben. Die Sitzung sei für 14 Uhr angesetzt gewesen, aber bereits Stunden vorher, um 9 Uhr 30, meldete die österreichische Nachrichtenagentur APA
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