Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)

aufgrund der Aufmerksamkeit der Medien offenkundig und sorgte in der Öffentlichkeit für Hohn und Spott, was Präsident Rutherford jedoch keineswegs entmutigte. Nahezu zeitgleich hatte er bereits die nächste Prophezeiung auf ihre ungewisse Reise auf den Weg gebracht.
    Eine Vorhersage mit einem ebenso sensationellen Charakter wie die Ankündigung der Auferstehung: Millionen Menschen, die in dieser Zeit lebten, könnten dieser neuen Einsicht zufolge die begründete Erwartung hegen, „überhaupt nie sterben zu müssen“. 58 Dieser, wiederum mit dem Qualitätssiegel der festen und „unbestreitbaren“ Zusage Gottes formulierte Inhalt, wurde in hoher Auflage verbreitet. Allerdings ebenso ohne den erhofften nachhaltigen Erfolg wie alle anderen vorangegangenen Ankündigungen der WTG. Von den in den dreißiger Jahren lebenden Zeitgenossen haben die Allermeisten bis heute vermutlich das Zeitliche gesegnet.
    Ist es nicht offensichtlich, dass die Wachtturmgesellschaft unter den Führungen von Russell und Rutherford falsche Prophezeiungen und sich gegenüber Gott 59 und ihren Mitmenschen schuldig gemacht hat? Hätte sie sich dafür nicht bei dem Schöpfer, dessen Namen in Ehren zu halten, sie sich doch auf ihre Fahnen geschrieben hat, und all denjenigen entschuldigen müssen, die ihr vertraut haben und die tatsächlich von ihr irregeführt worden sind?
    Bei den Menschen, die sich als treue Verkündiger mit der falschen Botschaft, dass Gottes Königreich im Jahr 1914 auch auf der Erde aufgerichtet werden würde und dem Predigen der Botschaft von der Unsterblichkeit ihrer Zeitgenossen blamiert und den Namen Gottes damit der Lächerlichkeit preisgegeben haben?
    Aus Sicht der Organisation bestand für eine Entschuldigung keinerlei Notwendigkeit.
    Ganz im Gegenteil! Die solchermaßen Getäuschten mussten sich sogar gefallen lassen, dass ihnen, die sie sich auf die von der WTG gemachten offiziellen Verlautbarungen verlassen hatten, nicht zuletzt, weil sie dies auch so mussten, nunmehr vorgehalten wurde, dass sie es im Grunde selbst waren, die dafür die Verantwortung trügen. Wiederum wurde den Opfern von der Wachtturmführung die Täterrolle zugeschrieben.
    Sie seien es gewesen, die „ihre Vorstellungen gegen jede Vernunft aufgebläht“ 60 und einfach zu viel erwartet hätten.
    Die vollmundig proklamierte Gewissheit wurde von der WTG nach dem vorgegeben Muster ihres Präsidenten Rutherford über Nacht zu einer bloßen Wahrscheinlichkeit, die absolute Zuverlässigkeit auf eine bloße Möglichkeit reduziert.
    Kann man ein solches Vorgehen als christlich, ehrlich und demütig bezeichnen?
    Für einige Bibelforscher war dieses offensichtliche Ablenkungsmanöver bereits in den zwanziger Jahren offenbar zu viel des Guten. Sie kehrten der WTG Rutherfordscher Prägung kurz entschlossen den Rücken:
    „Das Jahr 1925 war für viele Brüder ein trauriges Jahr. Einige strauchelten; ihre Hoffnungen waren enttäuscht worden. Sie hatten gehofft, dass einige der ‚alttestamentlichen Überwinder auferstehen wurden. Statt dies als eine Wahrscheinlichkeit anzusehen, lasen sie hinein, dass dies mit ‚Sicherheit‘ kommen wurde, und manche bereiteten alles für ihre lieben Angehörigen vor, da sie deren Auferstehung erwarteten ... Jehovas treue Diener hatten sich ihm nicht nur bis zu einem bestimmten Jahr hingegeben. Sie waren entschlossen, ihm für immer zu dienen.“ 61
    Was blieb denjenigen, die weiterhin dabei bleiben wollten, anderes übrig, als sich notgedrungen weiterhin in Geduld und Demut zu üben und abzuwarten, bis die vorhergesagten umgreifenden und sehnsüchtig erwarteten Veränderungen auf der Erde für die ganze Menschheit tatsächlich stattfinden würden. Aber wie lange sollten sie ausharren?
    Allen Fehlschlägen zum Trotz zeigte sich die Organisation in ihrem Sendungsbewusstsein unbeeindruckt und hielt unangefochten von Selbstzweifeln an ihrer Prophetenrolle fest.
    Schon einige Jahre später fand sie eine weitere Antwort auf die Frage nach dem Wann und proklamierte einen neuen konkreten Beginn des erwarteten Ereignisses.
    Nunmehr wurde der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs von der Organisation als willkommene Möglichkeit in ihrem Sinne gedeutet und dazu genutzt, einen neuen Beginn der „großen Drangsal“ zu verkünden, dem die erhofften Segnungen und die „Befreiung sofort folgen“ würden:
    „Das Königreich ist da, der König inthronisiert. Armageddon steht bevor. Die Segnungen der glorreichen Herrschaft Christi für die