Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)
erhofften und sicher geglaubten Erwartungen nicht einstellen wollten. Die letzteren Daten waren allerdings nicht mehr von Russell, sondern von seinem Nachfolger festgelegt worden. Russell starb im Jahr 1916.
Aber auch nach seinem Ableben ging es mit dem Vorhersagen munter weiter. Ebenso wie Russell gefiel sich auch der nachfolgende Wachtturmpräsident, Joseph Franklin Rutherford, von Haus aus Jurist, in der Rolle des Propheten.
Er verschwendete keinen Gedanken daran, aus den prophetischen Fehlleistungen seines Vorgängers die einzig mögliche und vernünftige Schlussfolgerung zu ziehen und von derart waghalsigen Vorhaben zukünftig abzulassen, sondern beeilte sich vielmehr, neue Endzeitpunkte zu verkünden.
Nachdem auch im Jahr 1920 nichts geschehen war, was auf eine göttliche Intervention hindeutete, lenkte Rutherford die Aufmerksamkeit seiner Anhänger auf das Jahr 1925 53 . Für diese Zeit oder sogar noch davor sagte er „mit absoluter Zuverlässigkeit“ sogar eine „Explosion“ und die Auferstehung der vor „Jahrtausenden Gestorbenen” voraus:
„Die Jahreszahl 1925 wird in der Schrift noch eindeutiger angezeigt, weil sie fest mit dem Gesetz verankert ist, das Gott Israel gab. Wenn man sich die gegenwärtige Situation in Europa ansieht, fragt man sich, wie es möglich ist, die Explosion noch langer zurückzuhalten; und das noch vor 1925 die große Krise erreicht und wahrscheinlich vergangen sein wird.“ 54
„Wir erwarten mit voller Gewissheit, dass die jetzige große Drangsal ... im Jahre 1925, etwa im Herbst, ihren furchtbaren Höhepunkt erreicht und alsdann zum endgültigen Abschluss kommen wird ... Wir erwarten mit absoluter Zuverlässigkeit die nach der Drangsal beginnende Auferstehung der gesamten Menschheit ... und zwar so, dass die zuletzt Gestorbenen zuerst und die vor Jahrtausenden Gestorbenen wie z. B. Adam, zuletzt auferstehen werden. ... Ferner dürfen wir verkündigen, dass vielen Menschen, die jetzt leben, die Möglichkeit werden kann, überhaupt nicht sterben zu brauchen.“ 55
Aber auch die „volle Gewissheit“ war unangebracht, da sie keinerlei Wirkung zeigte. Die vollmundig gemachten Aussagen der Wachtturmgesellschaft erwiesen sich auf dem Prüfstand der Realität wiederum als nichtig. Die große Drangsal blieb ebenso aus, wie die vorhergesagte Explosion und die Auferstehung der frühen Getreuen. Für deren Unterbringung hatte Richter Rutherford für- und vorsorglich bereits die Villa Beth Sarim 56 in San Diego bauen lassen, die er dann, in Ermangelung der erwarteten Auferstandenen, notgedrungen selbst bewohnte.
Ist es ein Schelm, der Schlechtes darüber denkt und argwöhnt, dass es dem unter Gesundheitsproblemen leidenden Rutherford in erster Linie um einen luxuriösen Wintersitz im warmen Kalifornien ging und weniger um eine angemessene Wohnstatt für die erwarteten auferstandenen Prinzen dieser Erde?
Die „volle Gewissheit“ und die „absolute Zuverlässigkeit” mit der die Ankündigungen der Auferstehung gemacht worden sind, waren dann auch schnell relativiert. Schon im Jahr 1926, nur ein Jahr nach der hochoffiziell proklamierten Rückkehr der Verstorbenen, gab Präsident Rutherford die neue Sprachregelung vor:
„ Frage: Sind die Alttestamentlichen Überwinder schon auferstanden?
Antwort: Sicherlich sind sie noch nicht auferstanden. Niemand hat sie gesehen. Es wäre töricht, eine gegenteilige Behauptung aufzustellen. Im Millionen- und Trostbüchlein wurde gesagt, das man sie vernünftigerweise kurz nach 1925 erwarten dürfe. Aber dies wurde nur als Meinung ausgesprochen.“ 57
Wie war das noch mit der „vollen Gewissheit“, mit der die Ankündigung nur ein Jahr zuvor gemacht worden war? Kann man so schnell aus einer Aussage, die mit dem Anspruch der „absoluten Zuverlässigkeit“ von der Führung des WTG getätigt worden ist, eine unverbindlich dahingesagte Annahme machen? Kann man so schnell vergessen, was gesagt worden ist und sogar noch heute nachgelesen werden kann?
Die treue Gefolgschaft von Präsident Rutherford konnte das. Zumindest in ihrer großen Mehrheit. Ein „neues Licht“ sei auf die Szenerie geworfen worden. Und überhaupt habe man nur eine „bloße Meinung“ verkündet, noch dazu sehr unbestimmt.
Nur eine Meinungsäußerung? Tatsächlich aber eine Meinungsäußerung von „Oben“ mit der Wirkung eines Dogmas, das jeder Zeuge Jehovas zu glauben gezwungen war, wollte er nicht den Ausschluss riskieren.
Allerdings war die Blamage
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