Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)

Welt werden sofort folgen. Daher ist der große Höhepunkt erreicht. Drangsal hat die befallen, die zum Herrn stehen.“ 62
    Die Stimmung unter den Zeugen – vor allem in den Betheleinrichtungen - wurde derart geschürt und angeheizt, dass einige von ihnen sogar auf notwendige medizinische Behandlungen verzichteten.
    Diese Brüder und Schwestern glaubten so fest an die Aussagen der WTG, dass sie selbst dringende ärztliche Eingriffe wegen des „sofort“ bevorstehenden Endes ablehnten. Behandlungen seien unnötig und man könne getrost abwarten, bis Gott sie in Kürze heile. So berichtet eine ehemalige Bethelmitarbeiterin beispielhaft aus eigenem Erleben:
    „So fest glaubten Jehovas Zeugen, dass dies stimme, dass es Personen gab, die sich 1944 weigerten, sich die Zähne plombieren zu lassen und alle Sorge um den eigenen Körper zurückstellten, bis Gott sie in seiner neuen Welt wiederherstellte. Ein eifriger ZJ, den ich kannte, hatte einen Vorrat Gewürznelken bei sich, um sich die Schmerzen an einem Backenzahn zu erleichtern, den er nicht vom Zahnarzt behandeln lassen wollte, da die Zeit, bis Jehova ihm einen neuen, vollkommenen gab, so kurz sei. Bis heute assoziiere ich den Geruch von Nelken mit bevorstehendem Unglück.“ 63
    Aber das Ende kam nicht für die ganze Welt, sondern für den Propheten Rutherford. Er gehörte offenbar nicht zu denjenigen, von ihm selbst so glücklich gepriesenen „Millionen, die nicht zu sterben brauchten“, da er im Jahr 1942 verschied.
    Der Präsident und Prophet Rutherford erlebte die Erfüllung der eigenen Vorhersagen ebenso wenig wie sein Vorgänger Russell.
    Seinen Platz nahm jetzt Bruder Nathan H. Knorr ein. Dieser verstand sich in erster Linie als Manager und hatte sich als Organisationstalent einen guten Ruf erworben.
    Knorr machte diesem auch als Präsident alle Ehre, sodass die WTG in der Zeit unter seiner Leitung ein erhebliches Wachstum zu verzeichnen hatte.
    Aber selbst der eher nüchtern und rational veranlagte Knorr konnte oder wollte, vermutlich von seinem Vizepräsidenten Fred Franz dazu gedrängt, nicht von der Prophetenrolle lassen.
    Zunächst nur in mehr oder weniger versteckten und verschleierten Ankündigungen wurden die Aufmerksamkeit und die Erwartungen der Zeugen Jehovas von der Gesellschaft unter seiner Leitung später
umso
deutlicher und zielgerichteter auf das Jahr 1975 hingelenkt.
    Für exakt dieses Jahr erwarte die WTG das wiederum nur errechnete Ende von „6000 Jahren menschlicher Regierung und damit den Beginn einer neuen, vom himmlischen Königreich kontrollierten Epoche der Menschheit.“ 64 Entsprechend ihrer Bedeutung wurde diese Erkenntnis in viel versprechender Weise proklamiert, nicht ohne drängenden Unterton und die erneute Warnung vor einer großen Umwälzung und Zerstörung, die vor allem die ungläubige Welt zu vergegenwärtigen hätte.
    „Die Zeit läuft ab! Die Zeit drängt! Was solltest du deshalb tun? Die Zeit läuft ab! Für wen? Für die heutige Generation, für das gegenwärtige böse System der Dinge und für die heutige Lebensweise. … Was bedeutet das? Es bedeutet, dass eine Umwälzung kommt, die ebenso verheerend wirken wird wie die weltweite Flut der Tage Noahs … Jemand mag nun aber einwenden: „Seitdem die Worte, dass es nur noch ein Weilchen dauern werde, bis der Böse nicht mehr sei, geschrieben wurden, ist es nun schon etwa 3 000 Jahre her. Wie können wir also wissen, dass das Ende dieses bösen Systems der Dinge jetzt kurz bevorsteht?“ Wir wissen es, weil sich heute bestimmte biblische Prophezeiungen erfüllen.“ 65
    Da sich außerdem die Generation, die bereits das Jahr 1914 erlebt habe, ihrem Ende nähern würde, läge es nahe, auch Harmagedon und das Ende des „Systems der Dinge“ für dieses Jahr zu erwarten. Keinesfalls würde ein treuer Christ seine Zeit und Mittel angesichts der verbleibenden kurzen Frist verschwenden, sondern seine geistigen Aktivitäten erhöhen und sich mit ganzer Kraft als Pionier dem Predigtdienst widmen. 66
    Das vorhergesagte Ende dieses Systems werde sich allenfalls verzögern, aber nur für eine kurze Zeit, keinesfalls für Jahre.
    Selbst die Warnung von Jesus Christus, dass niemand, ihn eingeschlossen, von dem genauen Zeitpunkt Kenntnis habe, wurde beiseitegeschoben.
    Die Wachtturmgesellschaft wusste es – wieder einmal – besser. Sogar besser als ihr geistiges Oberhaupt?
    „Sollten wir aufgrund dieses Studiums annehmen, dass sein und die lang ersehnte Tausendjahrherrschaft