Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
Kilogramm. Das geht nur mit Kraftfutter aus Fischmehl und Fischöl.
Der Gestank verfolgt uns bis zum Fährhafen Pargua, von dem aus wir auf die Insel Chiloe übersetzen. Auch auf dieser traumhaft schönen Insel mit ihren Pfahlbauten am Meer und ihren Fabeln von Wassergeistern war ich bereits 1981. Damals entdeckte ich Chiles Seele bei den Fischern und Kartoffelbauern und bei den tapferen jungen Menschen, die im Kampf gegen Pinochets Diktatur ihr Leben riskierten. Die Insel war arm, aber schön. Heute ist sie hässlich und kahl, und die Menschen sind immer noch arm, trotz des Lachswunders.
In den Fjorden heben sich die riesigen stählernen Ringe der Lachskäfige auf dem Blau des Wassers ab, Lastwagen mit roten Containern verstopfen die Landstraßen. In ihnen werden Millionen mit dem tödlichen Virus verseuchte Lachse transportiert. Sie wurden notgeschlachtet und sind jetzt auf dem Weg zur Entsorgung. Sie enden in einer der Fischmehlfabriken, wo sie zu Futterpellets für die überlebenden Lachse verarbeitet werden – chilenisches Recycling. Die Lachsseuche ISA ist ein ökologisches Desaster. Die meisten Farmen wurden auf Anordnung der Behörden schon geschlossen und für mehrere Jahre unter Quarantäne gestellt.
Achao ist ein düsterer Ort; es regnet seit Stunden auf die grauen Dachziegel aus Alerce-Holz. Die Fischrestaurants sind leer, auf der Straße torkeln uns ein paar betrunkene Männer in Regenjacken mit dem Aufdruck Marine Harvest entgegen. Am Ufer sitzen zwei alte Frauen unter einem Holzdach und verkaufen selbstgestrickte Pullover und Socken. So ernähren sie ihre Familien; die Männer sind wegen der Lachsseuche fristlos entlassen worden. Als Abfindung haben sie zwei Monatslöhne bekommen, umgerechnet 400 Euro.
Maria, eine der Frauen klagt: »Die Industrie hat uns Wohlstand versprochen, aber die Lachse haben nur Unglück gebracht. Mein Mann und die drei Söhne sind jetzt ohne Arbeit. Sie können auch nicht mehr in ihren alten Beruf als Fischer zurück. Es gibt nichts mehr zu fischen: keine Muscheln, keine Seeigel, alles ist tot.« Wer schuld ist an der Katastrophe, will ich von der Frau wissen. Ihre Antwort: »Die Norweger. Sie haben viel Geld mit den Lachsen verdient. Nachdem sie unser Meer verseucht haben, machen sie sich aus dem Staub.«
Ein Drittel der globalen Lachsproduktion liegt in der Hand des Norwegers John Fredriksen. Der korpulente und rotgesichtige »König der Lachse« ist mit geschätzten 10 Milliarden Euro Privatvermögen einer der reichsten Menschen des Planeten, er hat als kleiner Heringshändler angefangen und gilt in der norwegischen Bourgeoisie immer noch als Aufsteiger mit ungehobelten Manieren. Sein Leitspruch ist schlicht: »Alles, was für die Aktionäre gut ist, ist auch gut für das Unternehmen.« Mit einem kleinen Stab von 18 Mitarbeitern jettet er um die Welt und geht auf Beutezug.
Immer wenn ein Unternehmen schwächelt, das er für strategisch bedeutsam hält, schlägt er zu und kauft sich ein, bis er die Kontrollmehrheit der Aktien hat. Auf diese Weise hat er sich ein kleines Weltreich zusammengeklaubt: Ihm gehört mit Frontline die größte Tankerflotte der Welt, mit Seadrill ist er Marktführer bei Ölplattformen. Zum Lachs kam John Fredriksen eher zufällig. 2007 stand ein großes norwegisches Lachsunternehmen vor der Pleite. Er kaufte es auf und fusionierte mit zwei anderen Unternehmen aus der glibberigen Branche. Seitdem ist er auch im Lachsbusiness der Größte. 100 Millionen Lachse wirft seine Firma Marine Harvest pro Jahr auf den Weltmarkt. Aquakultur verspricht eine »saubere« Produktion von Fisch in großen Mengen. Der WWF hat sich Fredriksens Konzern als Kooperationspartner erwählt – vermutlich, weil er glaubt, dass man mit der Massentierhaltung im Meer die Ernährungsprobleme der Zukunft lösen kann.
Schwimmende Apotheken
Der Zuchtlachs sei eine »schwimmende Apotheke«, sagt uns der Meeresbiologe Héctor Kol bei einer Bootsfahrt durch den Fjord von Reloncaví, ein paar Kilometer südlich von Puerto Montt. Dieser Fjord ist mit 38 Lachs- und Forellenfarmen völlig überlastet. Im Schnitt drängen sich 200.000 Lachse in einem Käfig, doppelt so viele wie in Europa erlaubt. Eine Farm mit sechs Käfigen kommt so auf über eine Million Exemplare. Die Farmen liegen viel zu dicht beieinander, Krankheitserreger können sich rasend schnell ausbreiten. Die Viruskatastrophe war vorhersehbar.
Héctor Kol, Lachs-Rebell
Vor einem Jahr kam es im
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