Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
Naturschutzorganisationen. Denn Shell machte damals den größten Profit mit Patenten an Pestiziden auf der Basis von Chlorkohlenwasserstoff (CKW).14
Im Jahr 1962 wurde in mehreren wissenschaftlichen Publikationen enthüllt, dass ausgerechnet diese Pestizide extrem gefährlich für wilde Tiere sind. Immer wieder kam es zu Massensterben unter Vögeln, die mit Shell-Produkten behandelte Körner gepickt hatten. Der Konzern reagierte auf die Veröffentlichungen nicht mit Selbstkritik, sondern mit Gegengutachten höriger Wissenschaftler – und mit intensiver politischer Lobbyarbeit.
Bei der Abwehr der unangenehmen Wahrheit konnte Shell sich ganz auf den WWF verlassen. Prinz Bernhard persönlich verteilte im Stiftungsrat des WWF ein Argumentationspapier von Shell-Boss John Loudon. Darin bat er den WWF darum, keine Kritik an den gefährlichen Substanzen zu äußern. Loudon betonte den »humanitären Nutzen« der Pestizide, der darin bestünde, Hungersnöte in der Welt zu verhindern.15
Nur Sir Peter Scott, ein renommierter britischer Naturwissenschaftler, widersetzte sich auf der Sitzung des höchsten Führungsgremiums des WWF der dreisten Argumentation von Shell. Er sagte, »Gier« und die »totale Missachtung der Umwelt« seien in Wahrheit die größte Bedrohung für das Leben auf der Erde. Aber auch Scott bestand am Ende nicht auf einer öffentlichen Kritik an Sponsor Shell. Man einigte sich darauf, die Frage zu vertagen – mit dem Ergebnis, dass der WWF in den nächsten Jahren zu diesem Thema schwieg. So lange, bis sich das Thema CKW-Pestizide Mitte der 70er-Jahre von selbst erledigte: Sie wurden in den USA und den meisten anderen Ländern der Erde verboten.
Immer wieder kam es im Exekutivkomitee des WWF zu Debatten über die Frage, ob man Spenden von »verantwortungslosen« Unternehmen annehmen dürfe. Das Komitee kam nach reiflicher Überlegung Anfang der 1980er-Jahre zu der endgültigen Entscheidung, lieber nicht so streng zu sein. Es sei »schwierig bis unmöglich«, ein moralisches Urteil über ein Unternehmen zu fällen. Ein Mitglied des Exekutivkomitees berief sich laut Protokoll sogar auf das Vorbild der Kirche: »Es wurde angemerkt, dass keine Kirche jemals Spenden von Sündern abgelehnt hat.«16
Drei Jahre nach dem Pestizidskandal wurden die Beziehungen zu dem Ölmulti noch enger. John Loudon, inzwischen nicht mehr Generaldirektor der Shell AG, sondern ihr Aufsichtsratsvorsitzender, wurde 1966 auf Vorschlag von Prinz Bernhard Mitglied des Stiftungsrates von WWF International. Die Ölindustrie konnte ab jetzt noch direkter die Umweltstrategie der größten Naturschutzorganisation der Erde mitbestimmen. Das sollte sich bereits ein Jahr später bezahlt machen.
Am 26.3.1967 fuhr der Öltanker Torrey Canyon auf ein Riff im Ärmelkanal. Der Tanker, der für British Petroleum ( BP) fuhr, brach auseinander; 200 Kilometer der britischen und französischen Küste wurden mit Öl verseucht – die erste Ölpest der Nachkriegsgeschichte. 15.000 Seevögel starben einen qualvollen Tod, und die Ölindustrie geriet unter öffentlichen Beschuss. Nur der WWF hielt sich vornehm zurück. Der internationale Stiftungsrat beschloss, sich der Kritik anderer Naturschutzverbände nicht anzuschließen, »denn das könnte zukünftige Bemühungen um Spenden seitens gewisser Industriezweige, vor allem in den Vereinigten Staaten, gefährden.« 17 Die Führung des WWF erlaubte der britischen WWF-Sektion lediglich, einen Seevogel-Appell zu verabschieden, bei dem 5000 Pfund zusammenkamen. Mit dem Geld wurden verölte Vögel gesäubert und umgesiedelt. Der WWF begnügte sich damit, dabei zu helfen, den Dreck wegzumachen, den seine Partner aus der Industrie hinterlassen hatten. Ein Geschäftsmodell mit Zukunft?
Alte Kameraden
1975 setzte der US-Senat einen Untersuchungsausschuss ein, der illegale Zahlungen des Rüstungskonzerns Lockheed untersuchen sollte. Dabei kam heraus, dass der US-Konzern auch mit Prinz Bernhard Bestechungszahlungen vereinbart hatte, damit die Niederlande Kampfflugzeuge des Typs Orion anschafften. Die niederländische Regierung räumte in einem eigenen Untersuchungsbericht vom August 1976 ein, dass die Korruptionsvorwürfe zutreffend waren.
Abstreiten wäre auch sinnlos gewesen, denn Prinz Bernhard hatte allzu deutliche Spuren hinterlassen; darunter einen handgeschriebenen Bettelbrief an den Rüstungskonzern, in dem der Prinz um zwei Millionen Dollar Provision gebeten hatte. Zu viel, meinte die
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