Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
neuen Organisation zu werden. Beim WDR-Interview im Februar 2011 im Buckingham-Palast kann sich der Prinz nicht mehr erinnern, ob das entscheidende Gespräch mit Peter Scott tatsächlich auf der Jacht oder an Land stattfand. An die Einladung Peter Scotts erinnert er sich lebhaft, ebenso an die Tatsache, dass er selbst an der Charta des WWF mitgearbeitet hat. Die schöne Gründerzeit! Seine hellwachen Augen blitzen fröhlich. Der WWF ist sein Lebenswerk – das einzige Reich, in dem er sich unabhängig von seiner Gattin Elisabeth II. bewegen konnte.
Mit der ihm eigenen Lakonie fasst er die Gründungsgeschichte in wenigen Sätzen zusammen: »Peter Scott sagte, wir müssen das Ding jetzt in die Welt setzen und Sie sollten Präsident werden. Ich sagte: Nur von der britischen Sektion, nicht international. Ich bin schon Präsident des Internationalen Reitverbandes. Das reicht mir. Aber ich gab ihm einen Tipp: Prinz Bernhard der Niederlande ist gerade im Claridge’s abgestiegen, der interessiert sich auch für Tiere und Naturschutz. Geh hin und frag ihn. Und das hat er gemacht.«
Prinz Bernhard nahm die Präsidentschaft an und stürzte sich mit Leidenschaft auf die Aufgabe. Er und die Gründer des WWF träumten davon, ein zusammenhängendes supranationales Parksystem von Kenia bis Südafrika zu schaffen – unter ihrer Kontrolle. Am 11. September 1961 wurde der World Wildlife Fund als eine der letzten Zuckungen des Empire gegründet, mit Sitz in Gland am Genfer See.
Nashorn Gerti
Um die Nationalparks in Afrika wieder auf Vordermann zu bringen, brauchte der WWF viel Geld – von reichen Wohltätern, aber auch vom einfachen Volk. Damit die Werktätigen fleißig spenden, entwickelten die PR-Strategen des WWF eine kommerzielle Strategie, die der designierte Vizepräsident Peter Scott als »Schocktaktik« beschrieb. Die Werbeagentur Mather & Crowther hat offenbar weltweit nach Horrorbildern über Massaker an Tieren Ausschau gehalten. Das Ergebnis war eine WWF-Broschüre mit dem Titel Save the World’s Wildlife.
Um diese Lektüre unter die Leute zu bringen, fädelte der WWF einen Deal mit der Sonntagszeitung Daily Mirror ein, die damals noch eine Auflage von über fünf Millionen Exemplaren erzielte. Sie ging am 9. Oktober 1961 mit einer Sonderausgabe auf den Markt: Sechs Seiten prallvoll mit den besten Horrorbildern aus der WWF-Broschüre. Auf der Titelseite ein Foto von Nashorn Gerti an der Seite ihres Babys, mit einem dramatischen Appell an das Gewissen der Leser: »ES MUSS SOFORT ETWAS GESCHEHEN – sonst werden dieses Nashorn und sein Baby bald so tot wie ein Dodo sein.« Ein »Dodo« ist ein fluguntauglicher Riesenvogel, dessen Schicksal 1961 in aller Munde war.
Das Ergebnis der Schockbehandlung war ermutigend: Innerhalb von vier Tagen spendeten 20.000 Menschen dem WWF Geld für die Rettung der bedrohten Tiere – im Glauben, ihr hart erspartes Geld würde tatsächlich Gerti und den anderen bedrohten Nashörnern helfen. Nach den Recherchen des britischen Journalisten Kevin Dowling hat der WWF vom Erlös dieser ersten großen Spendenkampagne keinen einzigen Penny in die Rettung der bedrohten Nashörner investiert. Erst zwölf Jahre später flossen scheinbar zum ersten Mal WWF-Gelder in eine Rettungsaktion für das Nashorn.12Ich will nachhaken und nehme Kontakt mit dem WWF in Südafrika auf – doch meine Bitte um ein Interview wird abgelehnt.
Der WWF hatte bei der Manipulation der Spender offenbar kein schlechtes Gewissen. Er nutzte ihr Mitgefühl für bedrohte Tiere hemmungslos aus. Das belegt auch ein Vortrag vom WWF-Mitbegründer Max Nicholson, der sich kurz nach dem Abschluss der ersten großen Spendenaktion bei einer Veranstaltung mit WWF-Kampagnenleitern in Zürich zu der Aussage hinreißen ließ: »So hat sich bestätigt, was wir vermuteten: Die Krisensituation in der Tierwelt ist werbewirksam und lässt sich effizient für die Beschaffung von Geld einsetzen.«13
Die Masche funktionierte so gut, dass der WWF sie so oder so ähnlich bis heute anwendet, jedes Jahr mit einem anderen »charismatischen« Tier. Mal ist der Tiger dran, mal der Wal, dann wieder der Elefant.
Öl im Blut
Als Prinz Bernhard der Niederlande im Jahr 1962 sein Amt als Präsident von WWF International antrat, brachte er einen alten Freund als Großsponsor mit ins Boot: John Loudon, Generaldirektor des Erdöl- und Chemiegiganten Royal Dutch Shell. Das brachte dem WWF Geld – aber auch einen Haufen Probleme mit anderen
Weitere Kostenlose Bücher