Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
hat es in verblüffend kurzer Zeit als Nachweis für »regenerative Energien« zugelassen.
Die ISCC-Standards sind mit denen des Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl nahezu identisch. Neu ist lediglich, dass ein EU-konformes Klimaziel benannt wird: Beim Einsatz des Pflanzenöls als Treibstoff müssen die CO2-Emissionen vermindert werden. Kaum auf dem Markt, hat die ISCC-GmbH innerhalb weniger Monate schon über 700 Unternehmen der Biokraftstoffbranche mit dem neuen Siegel zertifiziert. Es ist leicht zu haben, vor allem für die Unternehmen, die mit dem WWF am Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl zusammenarbeiten.
Martina Fleckenstein ist Abteilungsleiterin für Landwirtschaft und Biomasse beim deutschen WWF und gilt als »Mutter« des ISCC-Zertifikates. Sie organisiert Werbetouren nach Indonesien, auf denen sie persönlich zögerliche Unternehmer von den Vorzügen des Gütesiegels überzeugen will: »ISCC ist ein globales System, das alle Arten von Biomasse abdeckt. Es gilt für den EU-Binnenmarkt genauso wie für Übersee. Für Unternehmen bietet es alle Leistungen aus einer Hand und erleichtert damit den nationalen und internationalen Handel.«33
Das Wort Natur kommt ihr dabei nicht mehr über die Lippen. In einem Interview mit der Zeitschrift Top Agrar gibt Martina Fleckenstein wertvolle Tipps: Der Erwerb des ISCC-Siegels sei »kein Problem«, wenn ein Unternehmen schon die Zertifizierung durch den Runden Tisch (RSPO) in der Tasche hat, »da entsprechende Vorarbeiten wie Umweltbeurteilungen bereits geleistet wurden.«34
Auf Nachfrage bestätigt die ISCC-Geschäftsführung in Köln, dass in solchen Fällen tatsächlich keine eigene, umfassende Umweltprüfung der Betriebe durchgeführt wird, sodass der Prüfer meistens nur einen Tag braucht, um eine Plantage oder eine Ölmühle zu zertifizieren. Das neue ISCC-Siegel wirbt auch auf seiner Webseite offen mit dem unkomplizierten Zertifizierungssystem: »Minimierung des Prüfungsumfanges durch die Anwendung von Gruppenzertifizierungen und wo ausreichend durch Dokumentenprüfung.«35
Dr. Jan Henke von der ISCC-GmbH in Köln klärt mich am Telefon auf, was mit diesem kryptischen Satz gemeint ist: »Wenn eine Ölmühle von 100 Farmern beliefert wird, kann man nicht alle einzeln überprüfen. Deshalb überprüfen wir bei 10 Prozent der Produzenten, 90 Prozent versichern durch Selbsterklärung, dass sie sich an die ISCC-Standards halten.« Wer aber steht dafür ein, dass die 90 Prozent der Betriebe die Wahrheit sagen? »Das kann in einer Region zum Beispiel der Aufkäufer sein«, antwortet Dr. Henke. »Der ist dann uns gegenüber verantwortlich, dass seine Lieferanten im Sinne der ISCC-Kriterien produzieren.« Wie kann der Aufkäufer seine Lieferanten überprüfen? Auch das ist nach Meinung von Dr. Jan Henke gut geregelt: »Entweder glaubt er, was die Produzenten ihm sagen, er kann aber auch nachfragen oder sogar selbst vor Ort prüfen.«
So wird der Bock zum Gärtner gemacht. Aufkäufer wie Cargill oder andere globale Händler von Biomasse können mit dieser Methode ihren Lieferanten den grünen Persilschein selbst auszustellen. Dieses System ist schlank, effizient und unbürokratisch. Ein guter Deal für alle, die am Geschäft beteiligt sind, vermutlich auch für den WWF, der hilft und berät, wo er kann.
Kaum war das Nachhaltigkeitszertifikat ISCC in trockenen Tüchern, schlossen Cargill und der WWF im August 2010 einen Vertrag über die Zusammenarbeit im Palmölgeschäft. Cargill ist ein US-amerikanischer Getreide-Gigant mit 138.000 Beschäftigten und rund 4 Milliarden Dollar Jahresgewinn. Er ist unter anderem der größte Palmölhändler der Welt und betreibt auch eigene Plantagen; die meisten Ölfrüchte kauft das Unternehmen jedoch von anderen Produzenten wie Wilmar und Sinar Mas, von Firmen also, die für ihr rücksichtloses Vorgehen gegen die Natur, gegen Waldbauern und indigene Völker bekannt sind.
Auf der Webseite von Cargill finde ich einen Hinweis auf den Partnerschaftsvertrag mit dem WWF. Darin wird die Aufgabe der WWF-Berater so beschrieben: »Sie helfen unseren Zulieferern dabei, mehr nachhaltige Produktionsmethoden zu finden und anzuwenden.« Die Partnerschaft mit dem WWF »soll den Produzenten dabei helfen, die gewachsene Nachfrage nach zertifiziertem nachhaltigen Palmöl zu befriedigen.« Als Maßstab gilt dabei ein hausgemacher Begriff von Nachhaltigkeit: »Die Zusammenarbeit basiert auf der verantwortungsbewussten Palmöl-Produktion, die
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