Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
Gentechnik. Wir müssen mehr mit weniger produzieren. Die Gentechnik darf sich dabei nicht auf Getreide beschränken, das jedes Jahr neu angebaut wird. Wir müssen Gentechnik auch bei tropischen Früchten einsetzen und bei Knollen- und Wurzelpflanzen. Diese Früchte müssen mit weniger Umweltschäden mehr Kalorien pro Hektar hervorbringen.«52
Als Beispiel für das Potential der Gentechnik verweist Jason Clay auf eine Studie, die vom Getreidegroßhändler Cargill finanziert wurde: Mit Gen-Engineering könnte die Produktion von Palmöl verdoppelt werden. Und nur mit Hilfe der Gentechnik ließe sich das Ernährungsproblem in den ärmsten Ländern der Welt lösen: Pro Baum könnte man so die dreifache Menge an Mangos, Kakaobohnen oder Bananen ernten. »Wir müssen klare Prioritäten setzen und uns auf die Nahrungsmittelproduktion konzentrieren: Wo werden welche Lebensmittel gebraucht, und wie lange dauert es – möglicherweise länger, als wir leben – bis ein genetisch manipuliertes Produkt auf dem Markt ist. Wenn wir nicht sofort anfangen, dann haben wir bald das Jahr 2025. Die Uhr tickt, wir müssen uns bewegen.«53
Die Botschaft hört Monsanto-Boss Hugh Grant gerne, denn sie ist das Echo seines Mantras: We feed the world. Das Bündnis mit dem WWF ist für ihn ein strategischer Erfolg. Zum ersten Mal sagt eine unabhängige und einflussreiche zivile Organisation Ja zur Gentechnik – ohne Wenn und Aber.
Jason Clay, der gewöhnlich zu Beginn seiner Vorträge fallenlässt, er sei auf einer kleinen Farm in Missouri aufgewachsen, kann auf verschiedenen Klaviaturen spielen. Wenn im Saal keine Industriebosse, sondern Naturschützer oder Intellektuelle sitzen, wählt er eine andere Tonart. Dann greift er als Ouvertüre die Konzerne an und kritisiert ihren destruktiven ökologischen Fußabdruck, bevor die erlösende Botschaft folgt: Wenn der WWF die Großen auf dem Weltmarkt »umarmt«, werde das Böse verschwinden.
Bei seiner Rede auf der TED Global Conference in Edinburgh kündigte Jason Clay im Juli 2010 gar an, er werde mit den 100 wichtigsten Unternehmen der Welt Partnerschaftsverträge schließen. Diese Konzerne kontrollieren nach seinen Angaben die 15 wichtigsten Rohstoffe der Erde, ihre Herstellung, aber auch den Handel mit ihnen: »Wenn wir diese Unternehmen dazu bringen, ihre Geschäftspolitik zu ändern, werden alle anderen folgen.«54
Blackwater
In Washington gelingt es mir, mit einem Abteilungsleiter des WWF USA Kontakt aufzunehmen. Zwar weiß er, dass das Hauptquartier mich mit einem Bann belegt hat, aber es ist ihm egal. Seinen Namen möge ich aber doch lieber nicht nennen, er möchte nicht als »illoyal« gelten. Als langjähriger Naturschützer fühlt er sich im WWF nicht mehr zu Hause. Marketingexperten und Manager, die aus der Industrie in den WWF gewechselt seien, hätten die Zügel übernommen: »Der WWF hat seine Grundsätze verloren.« Der Soja-Deal mit Monsanto ist aus seiner Sicht der Höhepunkt dieses moralischen Verfalls im WWF; nur deswegen ist er bereit, mir ein pikantes Detail der Affäre mit Monsanto zu verraten.
»Im Sommer 2010 ist Monsantos Boss Hugh Grant zu einem Besuch ins Hauptquartier des WWF nach Washington gekommen, unter großer Geheimhaltung.« So wie er selbst hätten auch die meisten anderen Leitungsmitglieder des WWF nicht erfahren, worüber hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde. Zum Abschied drückt mir der WWF-Mitarbeiter einen Artikel der Zeitung The Nation in die Hand: »Damit Sie verstehen, warum ich Angst vor Jasons neuen Freunden habe.« Im Hotel lese ich mir den Artikel durch. Obwohl ich nie geglaubt habe, dass es sich bei Monsanto um eine Wohltätigkeitsorganisation handelt, bin ich über den Inhalt des Artikels von Jeremy Scahill schockiert. Nach seinen Recherchen hat Monsanto im Jahr 2008 die berüchtigte Sicherheitsfirma Blackwater angeheuert, um die Kritiker der Gentechnik zu infiltrieren. Normalerweise vermietet Blackwater Kampfeinheiten an Regierungen, die sie dann in Kriegen oder Bürgerkriegen einsetzen. Für die US-Armee und für die CIA führt Blackwater Operationen durch, bei denen die Hand der amerikanischen Regierung unsichtbar bleiben soll, vor allem, wenn es um gezielte Tötungen im Kampf gegen den Terror geht.
Für den Monsanto-Auftrag setzte Blackwater seine Tochterfirma Total Intelligence Solutions ein. Deren Chef, Cofer Black, traf sich laut The Nation im Januar 2008 in Zürich mit Monsantos Sicherheitsmanager Kevin Wilson.
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