Schwarze Blüte, sanfter Tod

solche Modelle aus Protest gegen die reichen Angeber getragen. So veränderte sich die Welt!
    Ich sah übrigens, erinnerte ich mich, ein solches Exemplar zuletzt vor einigen Jahren bei einem Taucher, der keine Haftschalen vertrug. Er hatte, so erzählte er mir damals, das Ding geerbt, als sein Vater starb. Der hatte es von den Philippinen mitgebracht, aus dem zweiten Weltkrieg, wo er es einem eigenhändig erschossenen Japaner abgenommen hatte.
    Ein paar Sekunden überlegte ich, ob ich dem Herrn Anwalt diese Geschichte zum Auftakt unseres Gesprächs erzählen sollte, aber ich ließ es dann doch bleiben – man weiß nie, ob jemand genügend Humor besitzt, bevor man ihn wenigstens etwas genauer kennengelernt hat als ich Bu Yon. Und selbst dann kann man immer noch im falschen Augenblick die falsche Taste treffen ...
    Â»Sehr erfreut, Sie zu sehen, Mister Lim Tok!« empfing er mich und fügte an, Mrs. Tsao von der Pacific Voice habe ihn angerufen und mitgeteilt, daß sie einem Detektiv den Rat gegeben hätte, ihn zu besuchen. In der traurigen Angelegenheit ... Er schlug die Augen nieder. Betroffenheit – was immer die Leute darunter verstehen – können Rechtsanwälte meist recht gut darstellen.
    Der in der Tür zu seinem Büro wartenden Sekretärin gab er, ohne mich zu fragen, die Anweisung, Kaffee zu bringen. Und dann beklagte er, gleich nachdem er mich in einen Ohrensessel für Elefanten komplimentiert hatte, den Tod seines Klienten Yueh Po-chai.
    Das wirkte alles nicht etwa lächerlich. Der Mann war keineswegs eine Karikatur, ich erkannte sofort, daß ich es hier mit einem kompetenten Exemplar der Gattung zu tun hatte. Deshalb unterbrach ich seine Klage auch nicht, bis er von selbst damit aufhörte, einerseits, weil er wohl den Eindruck hatte, alles gesagt zu haben, was ich hören mußte, um zu erfassen, wie eng er mit Yueh verbunden gewesen war, und andererseits, weil die Sekretärin den Kaffee brachte. In Anbetracht der Tatsache, daß sie aussah wie ein Magengeschwür, das älter als sie selbst war, hatte sie ein genießbares Getränk hergestellt.
    Dr. Bu Yon wartete, bis sie die Tür geschlossen hatte, dann griff er zur Tasse, nahm einen Schluck, und schließlich sah er mich erwartungsvoll an. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, während ich meine Bitte vortrug, und ich hoffte, daß ich nie mit diesem Herrn an einem Pokertisch würde sitzen müssen. Als ich mein Sprüchlein beendet hatte, blieb er eine ganze Weile noch still, trank Kaffee, und zuletzt produzierte er um seinen Mund herum ein paar Falten, worauf er mir eröffnete: »Lieber Mister Lim Tok, ich bin mir bewußt, daß es Sie tief betrüben wird, aber ich kann Ihnen den Einblick in die fraglichen Dokumente nicht gestatten. Wobei ich nicht etwa übersehe, daß es für die Aufklärung des Mordes unter gewissen Umständen von Bedeutung sein könnte ... Was tut ein Mann, der vor einem solchen Konflikt steht?«
    Am liebsten hätte ich ihm gesagt, daß mein Herz am Mitleid für ihn zu zerbersten drohe und ich daran dachte, eine Sammlung für ihn zu veranstalten. Aber das ließ ich ebenso bleiben wie die Bemerkung über die Brille.
    Mein Blick fiel auf den schweren, altmodischen Safe, den Mr. Bu Yon an der Seitenwand seines Büros stehen hatte. Wie in Gedanken erhob ich mich, imitierte Streckbewegungen, wie sie einem leicht Bandscheibengeplagten anstehen, worauf ich Schritte machte, gleichsam wie um den Körper in Bewegung zu bringen, auf daß die Schmerzen vergingen und die Seele sich wieder beruhigte.
    Â»Ei, ei, das Gefühl im Rücken kenne ich«, verriet mir der Anwalt. »Ich empfehle Ihnen im Windsor House, drüben an der Causeway Bay, das Institut von T. Y. Lee. Er behandelt mit Akupunkturnadeln, die noch aus der Sung-Dynastie stammen, südliche Sung, kurz nach Beginn des zweiten Jahrtausends der modernen Rechnung ... er wirkt wahre Wunder damit ... bei verträglichen Preisen übrigens ...«
    Während er weiter die antiquarischen Nadeln seines Wunderheilers pries, die Moxibustion, die er auch vollführte, ebenfalls nach uraltem Rezept, beides zusammen die größte Errungenschaft seit der Erfindung der Eßstäbchen, reckte und streckte ich mich, vor dem Safe stehend, und ich registrierte dabei, daß es sich um ein älteres Modell handelte. Laut Aufschrift ein »Bullock 72700«.