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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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beleidigen ...«
    Er hielt mir die Hand hin, und ich merkte, daß er sich Mühe gab, nicht zu hart zuzupacken. Kein Spott in seinem Gesicht, er schien es wirklich zu bedauern, daß er mich etwas rüde empfangen hatte.
    Â»Ich würde an deiner Stelle das mit dem Unterkiefer vergessen«, riet mir Bobby. Der Polizeiarzt grinste: »Ich auch«, und nahm seinen Hintern beiseite.
    Da lag der Tote. Ein noch junger Bursche, den ich nie zuvor gesehen hatte. Er sah mir nicht sehr nach Mutterland aus, sondern eher ein bißchen nach Mong Kok, drüben in Kowloon.
    Â»Shanghai Street«, vermutete auch der Polizeiarzt. Er hielt mir auf einen Wink Bobbys einen Zettel mit den Körpermaßen, Haarfarbe, Augenfarbe und (fehlenden) besonderen Kennzeichen hin und ein Polaroidfoto, wie es die Polizeifotografen machen. Nichtssagendes Gesicht. Ich besah mir die Jacke, die der Tote trug. Der übliche Jeansstoff, auch die Hose. Auf dem T-Shirt stand in chinesischen Schriftzeichen Nathan Road Special. Sehr aufschlußreich. Ich kontrollierte seine Hände. Alte Polizeiroutine, die man ein Leben lang nicht mehr ablegt.
    Â»Er kennt sich aus, der Wunderboy!« feixte der Arzt und schützte vorsichtshalber seine Kinnlade mit dem Ellbogen. An der Seite des Mittelfingers der rechten Hand des Toten entdeckte ich die Tätowierung: einen Fisch mit drei Punkten auf dem Rumpf.
    Unsere Triaden legten sich solche geheimen Erkennungszeichen zu, das weiß jeder in unserer Branche. Gesten, Kennworte und eben Tätowierungen. Aber ich hatte einen Fisch wie diesen, mit den drei Punkten, noch nie gesehen. War das eine neue Gruppe?
    Bobby klärte mich auf: »Das ist kein Hongkonger Zeichen. Stammt aus dem Mutterland. Shantou. Als es noch Swatou hieß, war es eine der Wiegen der Triaden. Der hier gehört zur San Tien Hui. Drei Punkte. Scheint aber schon länger in Hongkong gelebt zu haben. Der Chef der Rezeption, bei dem er sich nach Mister Yuehs Zimmernummer erkundigte, sagte uns, er sprach kein Hoklo, wie man es in Shantou spricht, sondern gestochenes Kantonesisch ...«
    Er brauchte mir keinen Vortrag über die Triaden zu halten, ich kannte mich einigermaßen aus. Ein Teochiu also. Es gab sie in Kowloon. Und der Polizeiarzt hatte recht, die Shanghai Street war eines ihrer Zentren.
    Â»Und«, fragte ich, »der kam einfach so hier herein und fiel um und war tot, ohne einen Tropfen Blut zu verlieren ...?«
    Der Bariton bemerkte mit vornehmer Zurückhaltung: »Er wird sicher innerlich geblutet haben ... nur, eine Wunde habe ich nicht verursacht.«
    Â»Sie?«
    Er nickte freundlich. »Ja, ich. Es war noch früher Vormittag. Er klopfte. Ich öffnete. Er hatte eine Pistole in der Hand und drängte mich ins Zimmer zurück. Sagte: Dreh dich um! Da begriff ich, daß er mich töten wollte, sonst hätte er gesagt: Rück die Brieftasche raus! Während ich seiner Aufforderung folgte und mich umdrehte, tötete ich ihn mit meinem linken Fuß ...«
    Ich muß ein Gesicht gemacht haben wie ein Mann, der auf der Brust seiner Geliebten einen Floh entdeckt. »Sie ... haben ihn? Mit dem Fuß?«
    Â»Ja, so ...« sagte er bescheiden. Und dann drehte er sich um, hob blitzschnell den Fuß und stoppte ihn genau eine Handbreit vor meiner Gurgel. Ich war so überrascht, daß ich nicht einmal den Versuch machte, dem Hieb auszuweichen. »Mister Yueh hat in London Karate erlernt«, bemerkte Bobby, wie mir schien, mit einem ziemlich höhnischen Unterton. Was war das für eine Vorführung? Ein Gentleman, der mit einem Fußtritt auf die Kehle töten konnte, eine Leiche, ein Polizeiarzt, Bobby, ich ...
    Â»Okay«, sagte ich, »jetzt machen wir mal Zipper an die Hosenschlitze. Mister Yueh, haben Sie eine Ahnung, warum der Kerl sie erschießen wollte?«
    Â»Keine.«
    Â»Sie kennen ihn nicht?«
    Â»Ich habe ihn nie zuvor gesehen.«
    Â»Hatten Sie mit Ihrem Herrn Bruder Ärger?«
    Er lachte: »Er hat mich nach Hongkong bestellt, weil er die Möglichkeit sah, im Rahmen der Übernahme durch China vielleicht Unannehmlichkeiten zu bekommen. Sogar mit Haft rechnete er. Träte das ein, sollte ich in seinem Sinne das Blatt weiterführen. Die Pacific Voice .«
    Â»Obwohl Sie Antiquitätenhändler sind, nicht Zeitungsmann?«
    Â»Ja. Ich sollte nur dafür sorgen, daß das Blatt weiterlebt. Die Redaktion war und ist in der Lage, die

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