Schwarze Blüte, sanfter Tod

daß es hier in der Öffentlichkeit Unruhe geben könnte. Und weil ich nicht glaube, daß der chinesische Geheimdienst so dumm ist, am Tage nach der Übernahme einen Mord an einem Opponenten zu organisieren, bin ich durchaus der Meinung, daß es vernünftig war, Sie als unparteiischen und unbescholtenen Mann gewissermaßen mit der parallel zur Polizeiarbeit laufenden Aufklärung der Umstände zu betrauen. Weil ich persönlich weder auf Schwierigkeiten mit China noch mit der hiesigen Polizei aus bin, werde ich, falls Miß Tsao sich danach erkundigt, ihr selbstverständlich bestätigen, daß Sie für mich arbeiten. Aber – einstweilen bin ich ja tot! Diese Auskunft wird sie jedenfalls bekommen, wenn sie im Hotel anruft ...«
    Dann grinste er mich geradezu vergnügt und mit Verschwörermine an und erkundigte sich, ob ich Zigarren rauchen würde. Nachdem ich nein gesagt hatte, brannte er sich eine von diesen Röhren an, die der Herr mit dem bulgarischen Namen auch in Hongkong für Kuba verhökert, und am Geruch, der sich angenehm von Bobbys Bastos -Stinkern unterschied, rechnete ich mir aus, daß sie so zwischen fünfzehn und fünfunddreißig Dollar gekostet haben mochte. Wie es schien, zahlte sich das Handeln mit alter Chinaware in England aus.
    Wir kreuzten Victoria Harbour mit der Fähre, weil es mir da leichter fiel, etwaige Schnüffler von Zeitungen oder Leute mit noch schlimmeren Ambitionen zu erkennen. Aber es gab keine.
    Die Nathan Road war voller Verkehr, wie immer. Von den Taifunspuren war kaum noch etwas zu sehen, außerdem hatte er hier, auf der Landseite, nicht so arg zugeschlagen.
    Das Quartier für Mister Yueh Lo-tsin lag weit nordwärts, etwa auf der Höhe von Stonecutters Island. Eine dieser Betonburgen in Lai Chi Kok, mit Blick auf den Sham Shui Po Park. Tiefgarage mit Lift bis vor die Wohnungstür, wie sich das bei Unterbringungen dieser Art bewährt hatte. Zwei solide möbilierte Zimmer mit einer Junggesellenküche und einem Bad, in dem selbst die Handtücher schon bereitlagen. Ebenso wie in der Küche, wo der Kühlschrank eine generöse Anzahl Bierbüchsen beheimatete und eine Auswahl von Microwellengerichten, die nach meiner Schätzung für den Rest des Jahres ausreichten.
    Yueh lachte: »Ich hoffe, ich werde so lange nicht hier brummen müssen!«
    Seine Telefonnummer notierte ich mir noch, dann versprach ich, mit ihm Kontakt zu halten, und als ich über den West Kowloon Corridor zurückrollte, war ich mir einigermaßen sicher, daß sich mit diesem Karate-Antiquar ein brauchbarer Faden spinnen ließ. Er war von der Art, mit der man zurechtkam, was mich doch einigermaßen überrascht hatte, weil hierzulande von Leuten, die aus dem Mutterland nach England gehen, um da mit nachgemachten zweitausendjährigen Buddhafiguren zu handeln, doch Vorstellungen anderer Art kursieren.
    Der Mensch irrt zuweilen, sagte ich mir. Dann hatte ich Muße, mir Gedanken über die sonderbaren Zusammenhänge zu machen, in die ich Klarheit bringen sollte.
    Es gab mehr Unbekannte, als mir lieb war. Einfach würde das bestimmt nicht werden, denn die Spuren waren karg.
    Und dann fiel mir ein, daß ich eigentlich noch jenen Rechtsanwalt besuchen könnte, der Mister Yueh Po-chais Testament in Verwahrung hatte. Dr. Bu Yon in der Garden Road, drüben im Zentraldistrikt ...
    Etwa zwischen dem Asia Pacific Tower auf der einen Seite und der St. John’s Kathedrale auf der anderen, zwischen teuren Juwelierläden und verrückten Modeboutiquen, in denen ein Taschentuch etwa soviel kostete wie im Norden von Kowloon ein Bademantel samt Modell für ein ganzes Wochenende, fand ich das bescheidene Schild von Dr. Bu Yon.
    Der Anwalt hatte sich der Gegend, in der er praktizierte, angepaßt. Drüben in Wanchai wäre er – in Flatterhosen und T-Shirt gekleidet – gut und gern als Karrenschieber durchgegangen. Hier, in einen dunklen Anzug gesteckt, mit weißem Hemd und Fliege, den silbrigen Haarkranz um die Glatze herum fein geordnet, konnte er leicht mit einem Mann verwechselt werden, der in der Queens Road mit echten Rolex handelte. Er duftete dezent nach Road 211, doch das machte ihn nicht etwa zum Stenz. Diesen Eindruck konterten auch die kreisrunden, silbern gefaßten Gläser einer dieser Brillen, die jetzt hier der letzte Prominentenschrei waren. Früher hatten amerikanische Hippies