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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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meiner Mutter, daß jeder Kenner ihr schauspielerisches Talent bestätigen würde, aber noch bevor sie das kommentieren konnte, war ich weg. Mister Bu Yon war am Peak, genoß den Abend in seinem Haus. Wir würden in seinem Büro ungestört arbeiten können.
    Lam wartete schon. Wir fuhren bis in die Nähe des Pacific Towers, wo es um diese Zeit möglich war, ein Auto zu parken. Um die Nummer 102 herum lief noch der übliche Spätabendbetrieb. Die letzten Touristen wandelten über die Bürgersteige, etwas träge schon, eben zwischen Abendessen und Nachtschlaf. Vereinzelte Pärchen standen vor den Auslagen der Juweliere und berieten, ob sie den Ehering sofort oder erst später kaufen sollten.
    Die Delikatessenhändler hatten nach Ladenschluß das rötliche Licht über den Behältern mit den Krebsen eingeschaltet, das die Tiere so appetitlich erscheinen ließ. Ausnahmsweise gab es mal keine Polizeisirenen, niemand demonstrierte heute gegen Peking oder für Prinzessin Diana, das schärfste Auge konnte weit und breit nichts entdecken, was Gefahr verhieß.
    Wir standen unter dem Eingang der Nummer 102, und ich sagte über die Schulter zu Lam: »Los!«
    Er zupfte mich am Ärmel und flüsterte: »So komm du lieber endlich!«
    Der Kerl hatte das Haustürschloß der Büroburg längst geöffnet, während ich noch nach möglichen Gefahren Ausschau hielt. Er grinste, als er mir anvertraute, er wolle ja nicht die ganze Nacht hier verbringen.
    Auf der Treppe, die wir nehmen mußten, weil der Fahrstuhl natürlich abgestellt war, begann er mit hochgereckter Nase in die abgestandene Luft zu schnuppern, bis ich ihn flüsternd fragte, ob er sich etwa erkältet habe. Das verneinte er und sagte: »Geruch von Schweißbrenner.«
    Ich roch nichts Auffälliges. Diese Büropaläste waren ziemlich geruchsneutral, sie wurden jeden Tag mit chemischen Substanzen von allem gereinigt, was nach Computertinte, Papier oder anderen Utensilien des Gewerbes stank. Vielleicht gab es ein neues Damenparfüm mit dem zugkräftigen Namen Schweißnaht, das die Sekretärinnen benutzten und das Lam noch nicht kannte – man mußte in Hongkong auf buchstäblich jeden Unsinn vorbereitet sein.
    An der Tür zu Bu Yons Kanzlei flüsterte Lam mir zu: »Ist offen ...«
    Das machte mich vorsichtig. Ich hatte keine Waffe dabei, aber ich schob die Tür auf und schlich, so leise ich konnte, zuerst in das Vorzimmer und dann in den großen Büroraum Bu Yons, in dem wir miteinander gesprochen hatten. Immer rechnete ich damit, daß plötzlich das Licht anging, der Herr der Akten aus einer dunklen Ecke trat und mich höflich fragte: »Haben Sie etwas bei mir vergessen, Mister Lim Tok ...?«
    Das passierte zwar nicht, aber als Lam, der mir gefolgt war, den Lichtkegel seiner Taschenlampe jetzt kreisen ließ, stoppte er ihn auf dem Safe, und nun wurde mir schlagartig klar, daß Lam mit seiner Feststellung, es rieche nach Schweißbrenner, recht gehabt hatte: um das Schloß herum war der Safe säuberlich aufgeschweißt worden. Das herausgeschweißte Schloß lag auf dem Boden. Die Tür war angelehnt. Jetzt roch auch ich das, was Lam mit seiner feinen Nase bereits unten an der Tür erschnüffelt hatte.
    Â»Pfuscher«, sagte er. Und dann: »Wozu hast du mich eigentlich mitgenommen?«
    Es war nicht die Zeit für lange Erörterungen. Deshalb schickte ich Lam ins Vorzimmer, dort sollte er aufpassen, daß ich nicht überrascht werden konnte. Ich selbst tippte an die Stahltür des Safes. Nicht mehr heiß, aber immerhin noch handwarm. Wer immer hier gewesen war, mußte vor etwa ein bis zwei Stunden den Safe geknackt haben.
    Ich nahm ein herumliegendes Lineal und schob die Tür damit auf. Leuchtete mit der Lampe Lams hinein. Da war eine Pistole, die viel zu elegant aussah, um gefährlich sein zu können, außerdem ein Päckchen mit Fotografien, die Mister Bu Yon vielleicht gar nicht so gern in fremden Händen gesehen hätte, da waren zwei Stapel mit unterschiedlich dicken Akten, und ein Kasten mit eingehängten Mappen, der originellerweise mit einem weißen Stift beschriftet war. In der traditionellen chinesischen Trauerfarbe war vermerkt, daß es sich um Letztwillige Verfügungen handelte. Der Kasten war herausgenommen und nicht sehr sorgfältig behandelt worden, das sah man. Einige der

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