Schwarze Blüte, sanfter Tod
eingehängten Mappen hingen schief, Blätter hatten sich gelöst, Zeichen dafür, daà hier hastig gesucht worden war.
Ich besah mir einige der Einhänger. Konnte lesen, daà der Juwelier Mister Chow, kinderlos und unverschuldet, seine Frau und seine einzige Schwester als Erben einsetzte und zwar unter der Bedingung, daà beide nicht etwa nochmals heirateten, und daà sie das Geschäft weiterführten.
Ãber Nan Fong, den Spezialisten für antiquarische Oriental ische Möbel von hohem Wert, las ich, daà nach Abtragung der Schulden Geschäft und Werkstatt verkauft und der Ertrag gleichmäÃig unter acht Kindern â darunter zwei aus nichtehelichen Verhältnissen â aufzuteilen sei.
David Liu, wohnhaft in Kowloon, gab zu, ein stilles Konto in der First American zu haben, das sollte seiner Zweitfrau Hu Lo zufallen. Die rechtmäÃig Angetraute des Besitzers einer Vertriebsorganisation für Stickereien, Elfenbeinschnitzereien, handgemalte chinesische Bilder, Uralt-Porzellane und ähnliche Preziosen wurde von ihm enterbt mit der Begründung, sie sei, entgegen ihrer Versicherung, seinerzeit nicht als Jungfrau in die Ehe gekommen ...
Dann fand ich die Mappe mit der Aufschrift Mr. Yueh Po-chai, Pacific Voice . Sie war leer. Wer immer vor uns dagewesen war und den Bullock aufgeschweiÃt hatte, war auf genau dieses Testament aus gewesen.
Mir blieb nichts weiter übrig, als den Kasten mit dem skandalträchtigen, aber für meinen Auftrag völlig unergiebigen Inhalt wieder an seinen Platz zu stellen, wobei ich mich bemühte, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
Auch das Lineal wischte ich sorgsam ab, ebenso die Türdrücker, als wir die Stätte der Enttäuschung verlieÃen.
Lam grinste unverschämt. Lud mich zu einem Bier ein, unweit von seiner Werkstatt. Meinte dabei: »Du solltest dich tatsächlich hier ausgiebig mit mir sehen lassen, schon für den Fall, daà du ein Alibi nötig hast ...«
Er bezahlte sogar, was mich überraschte, denn Lam war eigentlich ziemlich geizig, jedenfalls kannte ich ihn bisher nicht als Zahler. Mag sein, daà ihn die Pleite mit dem aufgeschweiÃten Bullock so erheitert hatte, daà er spendabel wurde. Immerhin wohl nur für kurze Zeit. Ich bedauerte, daà es in der Kneipe kein besseres Bier gab, man schenkte hier ein undefinierbares FaÃgebräu aus, das vermutlich ein Billigangebot aus einem afrikanischen Entwicklungsland war, es schmeckte leicht nach Waschpulver, wie mir schien, aber auch nicht gerade nach einem der besseren Sorte. Indessen â wir hatten beide Durst und ignorierten das, ohne den Zapfer zu erschlagen.
Später bedankte sich Lam nicht ohne Spott bei mir für den schönen Auftrag: »Wenn du wieder mal sowas für mich hast, du bist willkommen!«
Ich hätte ihm am liebsten einen Abfallkorb hinterhergeschmissen, aber die Dinger, die sie unlängst zur Förderung der Sauberkeit im Vorzeigeland Hongkong aufgestellt hatten, waren zu schwer.
Eine Weile überlegte ich, ob ich Bobby Hsiang benachrichtigen sollte. Aber ich lieà das bleiben. Bobby würde, wenn er die Sache untersuchte, in die Verlegenheit kommen, den Namen desjenigen nennen zu müssen, der ihn aufmerksam gemacht hatte! Doch dann änderte ich meine Meinung. Nämlich als Bobby mich anrief. Ich war schon auf meiner Dschunke und hatte mich damit abgefunden, daà Pipi diese Nacht im Hotel verbringen würde, weil ihr Dienst bereits vor Sonnenaufgang begann. Gerade zog ich eine Büchse Lions auf, ein Bier, das angeblich aus Thailand kam, das aber trotz des knalligen Aufdrucks, der die Büchse zierte, mindestens ebenso gut wie Hongkonger Produkte schmeckte, als ich Bobbys Stimme aus meinem Handy vernahm: »Wir haben die Identität des Killers festgestellt, dem Yueh Lo-tsin das Genick brach. Name Ba Kwon. Nicht gemeldet. Aber nach Aussagen von Gewährsleuten in Mong Kok schon längere Zeit in Kowloon. Zugehörigkeit zu San Tien Hui so gut wie sicher. Alter Teochiu-Tong. Den Fisch mit den drei Punkten würde sich niemand an den Finger tätowieren lassen, wenn er nicht tatsächlich dazu gehörte. Ãberlieferte Sitte aus der Zeit, als Shantou noch den guten englischen Namen Swatou trug. Die Teochiu sind da heute noch verdammt traditionsbewuÃt, obwohl man ihnen nachsagt, sie hätten sich mit Peking einigermaÃen arrangiert. Genau weià das aber keiner.
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