Schwarze Blüte, sanfter Tod
Pistole nicht registriert. Kann aus amerikanischen Armeebeständen stammen ... das ist erst einmal alles. Ach ja, einer der Shantouer Clanchefs, die hier bei uns residieren, heiÃt Chao Yan. Sitzt in Mong Kok. Shanghai Street. Boss vom Edeltanzschuppen Suzie Wong . Achtung! Dort oben haben wir jeden Monat bis zu vier Leichen! Sonst was?«
Ich überlegte nur kurz. Entschied mich dafür, ihm reinen Wein einzuschenken. Bobby hörte sich meine Geschichte kommentarlos an. Am Schluà knurrte er: »Okay, nehme es sozusagen privat zur Kenntnis. Sobald der Einbruch offiziell gemeldet wird, werde ich mich einschalten ... dich hat niemand dort gesehen, oder?«
Ich gab salbungsvoll zurück: »Nur der Mond war mein Zeuge!«
Bobby riet mir, bevor er das Gespräch beendete: »Werd endlich erwachsen, Junge, denk daran, du hast es hier mit Kerlen zu tun, die bringen dich schneller um, als du die Hose zuknöpfen kannst!«
»Ich habe da einen ReiÃverschluë, erinnerte ich ihn. Er legte prompt auf.
Sie hatte eine Altstimme, von der miÃgünstige Leute sagen konnten, sie klinge heiser und blechern. Das stimmte sogar. Aber sie war für mich eben gerade deswegen genau das, was ich an der Stimme einer Kneipensängerin schätzte, weil man es heute so selten antraf: sie war erwachsen! Die Frau vollführte nicht das jetzt in allen Billigschuppen üblich gewordene Infantilgeplärr, sie wackelte weder mit dem Hintern noch mit den Brüsten, sie schnitt auch keine Grimassen, fletschte nicht die Zähne, ruderte nicht mit den Armen, schwang nicht die Beine, aber â mit jedem gesungenen Wort erzeugte sie Gefühlsregungen.
Ob sie ihre Wirkung kannte? Wie sie beinahe unbeteiligt ihre Zeilen heruntersang. Das schien wohl nur so. Ich begriff bald, nach einigem Zuhören, daà gerade dieses scheinbare Unbeteiligtsein an dem, was sie sang, die besondere Note ihrer Darbietung war.
Dabei sang sie auch nicht etwa eine dieser modernen Radaunummern nach der anderen, nein, sie wählte ganz offenbar gut aus. Oder ihr Impresario? Hatte sie einen? Gerade erzählte sie die tausend Jahre alte Geschichte von vergangener Liebe, von entschwundenem Glück, von traurigen Stunden, die eine Frau mit dem Lied aus besseren Zeiten verbringt, träumend, weinend vielleicht, an den Liebhaber von einst denkend: »Sing mir das Lied noch einmal, traurig gewordene Gitarre ...«
Die Stimme, die ich so schnell nicht vergessen würde in dieser Inflation von Säuselschranzen, wandte sich an das Instrument. Nicht klagend. Aber so, daà jeder Zuhörer begriff, sie erwartete gar keine Antwort. Man liebte sie für die Inkaufnahme der Vergeblichkeit.
Obwohl das alles haarscharf am Rande des Musikkitsches entlangschlidderte, bewunderte ich das Naturtalent der schwarzhaarigen Dame. Ich hielt sie für eine Amerikanerin mit nicht ganz akzentfreier Aussprache. Sie konnte Leute in einen Zustand versetzen, in dem sie nicht auf die Idee kamen, zu randalieren, in dem sie nicht einmal ihre Gläser anrührten, keine Zigaretten anbrannten. Die Sängerin brachte es scheinbar ohne Anstrengung fertig, in dem Lokal eine Stimmung zu erzeugen, von der keiner dieser von jeder Zeitung nach ihrer Meinung über alles mögliche befragten, johlkundigen, von der Scheibenindustrie zum Zwecke des Geldabschöpfens auf ganze Sportstadien voller junger Leute gehetzten Jammerlappen auch nur mal was gehört hatte. Eine Klasse für sich war diese Frau.
Sie hieà Marietta Moreano. Jedenfalls war das auf der Leuchtschrift über der Bühne zu lesen. Ich hatte mich an einem der kleinen Tische niedergelassen, und jetzt, als der Beifall für Mià Moreano verklang, erkundigte sich ein Kellner beinahe flüsternd, wie wenn er nicht stören wollte, bei mir: »Wünsche, Sir?«
Ich wünschte mir einen Scotch mit viel Wasser, ohne Eis. Und dann schob ich dem Kellner eine Banknote zu: »Meine Frage ist â wäre es mit den Sitten des Hauses vereinbar, die Sängerin zu einem Drink einzuladen?«
Der Mann war gar nicht erstaunt. Offenbar wurde er öfters um solche Auskünfte angegangen. Er fragte gelassen zurück: »Haben Sie eine Visitenkarte, Sir?«
Ich hatte eine mit dem Aufdruck meines Berufs. Er nahm sie, ohne sie anzusehen. Machte mich aufmerksam: »Manchmal sagt sie nein. Heute ist sie gutgelaunt. Bitte, Sir, sie trinkt nur Sekt. Französischen. Und â nix
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