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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Typ kannte ich. War nicht zu unterschätzen. Mit dem gleichen unbeteiligten Gesicht pflegten solche Leute anderen die Mündung einer Achtunddreißiger an die Schläfe zu setzen und abzudrücken.
    Â»Und warum suchen Sie ihn?«
    Ich hatte mir inzwischen eine Antwort zurechtgelegt, die ich plausibel fand: »Mich hat die Familie eines Ermordeten engagiert, um festzustellen, ob Herr Ba Kwon tatsächlich an dem Mord beteiligt war, und warum ... oder ob die Polizei hier einfach jemanden beschuldigt, sozusagen willkürlich, weil sie keine Ahnung hat, was wirklich geschehen ist.«
    Chao Yan machte gelassen: »So ... so ...«
    Dann warf er einen Blick zur Bühne, wo sich gerade eine bunt geschminkte Dame verbeugte, einen Pudel auf dem Arm, den sie zum Beginn ihrer Darbietung über drei Katzen hinwegspringen ließ, die artig, und wie es schien auch furchtlos in einer Reihe saßen und sich putzten.
    Mrs. Moreano teilte mir mit: »Nach dieser Nummer singe ich wieder, Mister Lim Tok. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen und zu hören, daß meine Darbietung Ihnen gefällt ...« Sie hob ihr Glas, und dann ging sie, wobei sie eine ganz leichte Spur des gegenwärtigen Modeduftes Obsession zurückließ. Wie ein Souvenir. Chao Yan stand ebenfalls auf und sagte höflich: »Mister Lim Tok, ich würde mich freuen, Sie wieder hier zu sehen ...«
    Er verbeugte sich, dann folgte er seiner Schwägerin.
    Ich grübelte eine Weile über die bemerkenswerte Frau nach. Mexikanerin. Würde sie Chao Yan von dem Polaroidfoto erzählen? Ihm sagen, daß Ba Kwon tot war? Und was würde Chao Yan daraufhin tun?
    Gelegenheitsarbeiten hatte Ba Kwon für ihn verrichtet. Auch eine Art, es auszudrücken. Ob es überhaupt nötig war, daß Mrs. Moreano Chao Yan aufklärte? War er nicht längst über seine eigenen Kanäle informiert? Und wie würde er reagieren?
    Selbst wenn ich in Betracht zog, daß ich eine interessante Karte aufgedeckt hatte, so war ich doch nicht sicher, daß sich daraus und aus meinem Besuch im Suzie Wong überhaupt die Konsequenzen ergaben, an denen ich interessiert war. Wenn auch die Frau ...
    Sie stand inzwischen wieder auf der Bühne und sang Guantanamera. Ich gab dem Kellner ein generöses Trinkgeld, und als ich Marietta Moreano auf dem Weg zum Ausgang verstohlen zuwinkte, hob sie dort oben, im weißen Lichtbündel einiger Bühnenscheinwerfer stehend, und sich leicht im Rhythmus ihres Liedes wiegend, die Hand. Für mich. Ich war ziemlich stolz, als ich auf der Shanghai Street draußen ankam und der abendliche Lärm auf der Kowlooner Sündenmeile über mir zusammenschlug wie eine Woge am Strand über einem Surfrider.
    Dabei hatte ich plötzlich das Gefühl, daß jemand mich beobachtete. Ich saß eine Weile in meinem Toyota und lauerte darauf, daß der Beobachter sich verriet. Besah mir das Gewimmel der Leute auf den Bürgersteigen und die bunten Lichter der Neonreklamen, die es abwechselnd in die grellsten Farben tauchten oder in filziger Dunkelheit versinken ließen. Wenn Sie jemals nach Hongkong kommen, werden Sie mir recht geben: hier gibt es nicht nur die verrücktesten Kombinationen von Neonschlangen über Läden und quer über Straßen oder Gassen – hier hat man auch die Erzeugung von Lichteffekten mit diesem Zeug am raffiniertesten entwickelt.
    Abendliche Einkaufsbummler und Kinder, die zwischen ihnen auf Inline-Skates im Zickzack herumflitzten, machten einen Großteil des Betriebes an den Straßenrändern aus, dazu kamen die promenierenden Ladies der Nacht, aufmerksam äugende Matrosen, die Mützen weit ins Genick geschoben, Händler, die von Zeitungen über Zigaretten bis zu Pornovideos so gut wie alles anboten. Karren mit Obst und schwankende Doppelstockbusse, deren Flanken daran erinnerten, daß man um Himmels willen Pepsodent benutzen sollte, vervollständigten das Bild. Dazwischen langsam krauchende kleine Autos, die gelegentlich noch vom letzten Taifun zurückgebliebene Riesenpfützen in Fontänen seitwärts beförderten, Rikschas, Fahrräder, Rollstühle. Und darüber, unter einem wolkigen, tiefhängenden Himmel, als einziges augenfälliges Zeichen von Veränderung die Flaggen mit der Blume Bauhinia zwischen den anderen mit den gelben Sternen. Und kein Union Jack mehr weit und breit. – So aufmerksam ich auch in die Gegend

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