Schwarze Blüte, sanfter Tod
...
»Ich muà mich dafür entschuldigen, daà Sie recht haben«, bekannte ich. Aber ich lieà es nicht allein dabei. »Allerdings â als ich hierher aufbrach, wuÃte ich nicht, daà es Sie hier gibt. Und bis Sie es mir sagten, ahnte ich auch nicht, daà Sie mit Herrn Chao Yang verwandt sind. Werden Sie in Hongkong bleiben?«
»Nein«, gab sie mit gleichbleibender Freundlichkeit zurück. »Aber Sie wollten doch sicher wissen, ob mich geschäftlich etwas mit meinem Schwager verbindet. Ebenfalls nein. Und damit keine MiÃverständnisse aufkommen, mein verstorbener Mann gehörte nicht ... nun, sagen wir, er gehörte nicht dem gleichen Verein an wie sein Bruder.«
»Sehr schön, wie Sie das so sagen!« Mehr fiel mir dazu nicht ein. Die Frau war entwaffnend. Auf welcher Seite stand sie?
Den Sekt lieà sie durch die Gurgel rauschen wie durstige Schuljungen Billig-Cola. Vielleicht war sie aus Mexiko härtere Sachen gewöhnt. Sie prostete mir zu, und als ich auch einen Schluck des teuren Gesöffs hinter mir hatte, klärte sie mich auf: »Mein Mann war weder Kaufmann noch heimattreuer Angehöriger eines sogenannten Stammesverbandes â Sie wissen schon, was ich damit meine â er war Jongleur.«
Ich konnte nicht verhindern, daà mir entfuhr: »Jongleur?«
»Ja. Im Varieté. Konnte, auf dem Kopf stehend, mit jedem Fuà eine Porzellanvase in der GröÃe einer Mülltonne balancieren,und gleichzeitig mit den Händen fünf Bälle ... Haben Sie das mal probiert?«
»Nein!«
»Ich rate Ihnen auch nicht dazu, wenn eine der Vasen Ihnen auf einen wertvollen Körperteil fällt, ist das nicht mehr zu reparieren. Ach, ich vergaÃ, gleichzeitig pfiff er dazu noch die mexikanische Nationalhymne. Also â was möchten Sie denn gern wissen?«
Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als das Spiel, das sie mir hier anbot, mitzuspielen. So zog ich das Polaroidfoto von dem Toten, das der Polizeiarzt mir im Hotelzimmer von Yueh Lo-tsin gegeben hatte, aus der Tasche und legte es ihr hin: »Haben Sie den Mann schon einmal gesehen? Ich suche Leute, die ihn kennen ...«
Sie musterte das Bild. »Tot?«
»Tot, ja.«
»Ermordet?«
»Getötet, bei dem Versuch, jemanden zu ermorden.«
Ich riskierte es, offen zu ihr zu sein. Gelegentlich muà man das tun, um weiterzukommen. Offiziell galt Ba Kwon, der Killer, zwar als verschollen, und Yueh Lo-tsin, sein angebliches Opfer, als tot. Aber wenn ich bei dieser Sache etwas erfahren wollte, muÃte ich wohl einen Köder auswerfen. Ich sah, wie die Frau das Bild wieder hinlegte und das Glas ergriff.
»Bei dem Versuch, jemanden zu ermorden, sagen Sie? Wie heiÃt er eigentlich?«
»Der Mann heiÃt Ba Kwon.«
Sie dachte eine Weile nach. Trank. Dann bemerkte sie gleichmütig: »Kennen wäre zuviel gesagt. Aber ich habe ihn hier schon gesehen ...«
Sie guckte enttäuscht in das schon wieder leere Glas und gab dem Kellner ein Signal. Der füllte auf.
»In Gesellschaft Ihres Herrn Schwagers?«
Sie zögerte, wofür ich ein gewisses Verständnis hatte. Dann aber, nachdem sie getrunken hatte, teilte sie mir mit: »Er saà an einem Tisch mit mehreren anderen Herren, die mein Schwager alle persönlich begrüÃte. Ich nehme daher an, daà er sie kannte.«
»Glauben Sie, Ihr Herr Schwager könnte mir mehr über ihn sagen?«
Diesmal überlegte sie lange, bevor sie antwortete: »Es käme auf einen Versuch an. Aber wenn er mehr weiÃ, wird er es Ihnen vermutlich nicht sagen. Er wird Sie fragen, woher Sie Ba Kwon kennen, und wo er ist ...«
»Vorausgesetzt, Sie vergäÃen das Foto, könnte ich ihm sagen, ich suche ihn ebenfalls«, schlug ich ihr vor.
Sie blickte hinüber zu der Kapelle, die gerade Mississippi spielte, mit viel Begeisterung. Aber ihr Interesse galt nicht den Musikern, sondern einem sehr gut gekleideten, älteren Chinesen, der an einer Tür aufgetaucht war, die in weiter hinten liegende Gemächer führte. Gleichzeitig erkundigte sie sich: »Soll ich ihn herbitten?«
»Ja«, sagte ich. Was kam, würde ich überstehen, so oder so. Hauptsache, ich erfuhr etwas, zur Not aus einer schroffen Reaktion Chao Yans.
Sie winkte ihm. Der Kellner brachte einen weiteren Stuhl, und ich hatte die Geistesgegenwart, noch eine Flasche Sekt zu ordern. Wie durch Zauberei
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