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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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ihm erlaubte, in der nächsten Woche seinen Verpflichtungen auf dem Set nachzukommen. Vorsichtshalber nahm ich ihm sogar ein neues Textbuch mit, weil das alte vermutlich mit der Villa verbrannt war. Dabei wußte ich absolut noch nicht, wie ich es anfangen sollte, ihn so zu sichern, daß er sein Versteck tatsächlich verlassen konnte.
    Â»Wo drehen Sie?«
    John Lee schlug in seiner Kladde nach. »Montag ... ab vierzehn Uhr ist Ai Wu drauf. Am Castle Peak Kloster.«
    Das lag oben in den New Territories, ganz im Westen, in der Nähe der Küste. Eine Bodenerhebung von einigen hundert Metern, nicht weit von Tuen Mun entfernt, oberhalb der Castle Peak Bucht.
    Â»Ai Wu kennt den Platz«, versicherte mir der Produktionschef. »Kann ich sicher mit ihm rechnen? Oder?«
    Eine Magenfrage. »Ich werde erst mit ihm sprechen müssen. Es gibt ein Restrisiko. Und der Mann ist einigermaßen geschockt, Sie werden das verstehen ...«
    Er wischte das weg. »Ich verstehe alles, aber nicht wenn einer einen Dreh platzen läßt! Sorgen Sie dafür, daß er mittags da ist!«
    Als ich zurückfuhr, fiel mir ein, daß es unterhalb des Regent eine Anlegestelle für Boote gab. Das konnte eine Möglichkeit eröffnen, Ai Wu über das Wasser westwärts zu seiner Arbeit zu bringen. Ich würde mir das noch zu überlegen haben. Und er mußte natürlich zustimmen ...
    Um es vorweg zu sagen: die Abalones waren ein Gedicht, das Tu Fu nicht besser hätte machen können!
    Maestro Montgomery Hsu hatte für seine Zelebration eines chinesischen Galadiners, wie er es in Los Angeles für die Creme der Gesellschaft einige Male im Jahr zubereitete, einen der angenehm ruhigen Salons auf dem zweiten Deck gemietet. So drang der Trubel, der auf dieser Musikwanne herrschte, nicht bis an unsere Ohren, was ich als angenehm empfand. Dafür lauschten wir den spaßigen Erklärungen des Kochs der Köche, während dieser die Speisen zubereitete. Im Hintergrund schwang leise chinesische Filmmusik in der Luft – eine Atmosphäre zum Träumen!
    Und dazu, als erster von unzähligen Gängen, die Abalones, gleich nach der scharfsauren Suppe, die gewissermaßen die Begrüßung darstellte.
    Es waren frische Abalones, keine Dosenware. Meister Hsu schnitt sie hauchdünn, so schnell, daß man fürchtete, am Ende würden ein paar Stückchen von seinen Fingern fehlen. Er schnitt die Wiesenpilze und die Bambussprossen ebenso hauchdünn. Als er sie in Öl dünstete, blickte er nicht auf die Uhr, sondern bestimmte die Zeit, indem er den aufsteigenden Duft schnupperte. Der Wolke, die aufstieg, als er sie ablöschte, wäre er am liebsten in Richtung Decke gefolgt, wie es aussah. Während er die Schnecken, Pilze und den Bambus dann aufkochen ließ und mit Stärkemehl hauchzart eindickte, probierte er zum Spaß der erlesenen Gäste den Wein aus Shaoshing, der dem Gericht den letzten Schliff geben sollte.
    Er verdrehte die Augen: »Oben der Himmel und unten Shaoshing!« Damit goß er den Wein über das noch blubbernde Gericht und griff sich dann eine Handvoll geschnittenen Lauch, um ihn mit einer graziösen Bewegung, die man ebensogut als Beschwörung guter Geister hätte auslegen können, über seine Schöpfung zu streuen.
    Er machte flotte Sprüche, während seine miniberockten, also gar nicht in der chinesischen Tradition stehenden jungen Serviererinnen Reis in Schalen füllten und er sein Meisterwerk in andere Schalen löffelte. Als mir der Duft des Gerichtes in die Nase stieg, nachdem es vor uns auf dem Tisch stand, vergaß ich alle Vorbehalte, die ich jemals gegen Musikdampfer gehabt hatte – dies war eine Seite von ihnen, die nicht genug zu loben war!
    Ich will davon absehen, Ihnen auch die übrigen Gerichte des stundenlangen Dinners mit der gleichen Anschaulichkeit zu schildern – nicht weil ich zu bequem dazu bin, nein, ich will verhüten, daß Sie beim nächsten Besuch Ihres »Chinesen an der Ecke« einen Mord begehen!
    Zwischen dem zweiten und dem dritten Fischgericht trat eine Geigerin auf und fiedelte mit bemerkenswert einfühlsamem Strich traditionelle Klänge, die vermutlich auch ein Konzertpublikum in Wien von den Stühlen gerissen hätten. Ebenso wie das fritierte Barschfilet in Weißwein mit gerösteten Mandeln.
    Der Meister hatte ein im besten Sinne buntes Programm ausgewählt. Vor der

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