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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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wollte, ohne mir Ärger mit dem Ring um Eugene Hsu und seinen Clanchef einzuhandeln.
    Die Krankenschwester im Tung Hua, mit der ich mich gerade unterhalten hatte, als die Honigstimme mich mit Gene Hsu verband, hatte indessen geduldig gewartet und erkundigte sich jetzt, ob es eine schlimme Nachricht gegeben habe.
    Das konnte ich verneinen. Sie erzählte weiter, von da an, wo wir unterbrochen worden waren: »Also ... der Arzt war wie üblich gekleidet, trug unter dem Klinikmantel ein helles Hemd mit pastellfarbenem Schlips, so etwas auf türkis gehend, und er benahm sich wie ein Arzt, der schon Jahre hier arbeitet – nur daß ich ihn nicht kannte. Wissen Sie, das will nichts heißen, man kann einfach nicht alle Ärzte kennen, die es in einem so großen Haus gibt. Und es wird ja auch oft gewechselt. Deshalb schöpfte ich überhaupt keinen Verdacht ... Ich stand ja auch nur neben dem Wagen, auf dem der Patient lag, vor der Tür zum Röntgenraum, und wartete darauf, daß sie geöffnet würde ... Und als er mich wegschickte, mir sagte, es werde etwas dauern, ich könne zurück auf die Station, er sei ja nun da ... ich hatte da keinen Verdacht!«
    Der Täter war sehr einfach verfahren, wie auch schon zuvor. Er hatte sich als Arzt maskiert. Ein Pfleger hatte am Morgen den abgelegten weißen Kittel in einem Abfallkorb unweit des Eingangs gefunden. Ich überlegte. Ai Wu sollte geröntgt werden. Nach Angaben der Schwester hatte er über Kopfschmerzen geklagt, man vermutete, daß eine Röntgenaufnahme Aufschluß geben konnte.
    Â»Als er vom Bett aufstand, schwankte er«, berichtete die Schwester nun. Demnach konnte es sich um Folgeerscheinungen der Tortur handeln. Aber auch um einen Schlag, mit dem er vielleicht bei seiner Entführung betäubt worden war. Erst als ich nochmals nachfragte, gab die Schwester zu, daß auch sie das nach Lage der Dinge für möglich gehalten hatte, aber den Schwestern war eben erst wieder nachdrücklich untersagt worden, über den Zustand von Patienten Auskunft zu geben.
    Mit Hilfe des Pflegers, der zugleich einen Teil Hausmeisterpflichten versah, befragte ich ein gutes Dutzend Angestellte, bei denen es möglich war, daß sie den falschen Doktor bemerkt hatten – nichts.
    Der Beamte vom Kidnapping-Departement, der vor mir hiergewesen war, hatte sich, wie mir die Schwester verriet, viel kürzer aufgehalten als ich. Für mich war das die Bestätigung meiner Vermutung, daß die Polizei des Spiels langsam überdrüssig wurde. Ich kannte meine ehemaligen Kollegen vom Staatsdienst: ein klarer Mord, ein Einbruch oder ein Kidnapping mit anschließender Lösegeldforderung – das waren Sachen, in die die Polizei mit voller beruflicher Hingabe einstieg und verbissen verfolgte, bis alles geklärt war. Handelte es sich aber um eine dieser Angelegenheiten, in denen sich über den Täter nicht einmal Vermutungen anstellen ließen, ebenfalls über das Motiv, und die Tat selbst weder als Mordanschlag noch als Eigentumsdelikt zu bestimmen war und das Opfer zudem nicht den geringsten Aufschluß darüber geben konnte, wie man ein so verwirrendes Spiel überhaupt einordnen könnte – dann erlahmte das Interesse der Polizei bald, es wurde Routinearbeit geleistet, neben vielen anderen Dingen, die anfielen.
    Deshalb war ich nicht überrascht, daß sich der Kidnapping-Beamte nicht einmal für den weißen Kittel interessiert hatte. Ich ließ ihn mir von dem Pfleger in eine Plastetüte packen und nahm ihn mit. Man hatte mir bei derselben Polizei, die nun so gleichgültig »Dienst nach Vorschrift« machte, einst beigebracht, daß Beweismaterial verschlampen eine Untugend war, die sich stets rächte.
    Das Her Thai hatte in der Tat eine Terrasse, von der aus man einen unbezahlbaren Blick über das Wasser genießen konnte, während man sein Essen zu sich nahm. Das beeindruckte mich weniger, ich hatte von meiner Wohndschunke aus täglich und nächtens einen Blick über den turbulentesten Ankerplatz Hongkongs! Als ich mich genauer umsah, entdeckte ich, daß die beiden von Hsu angekündigten Herrn noch nicht erschienen waren. Also suchte ich mir ein Plätzchen unter einem der knallbunten Sonnenschirme am äußersten Rand der Terrasse und kippte den Schirm so weit herunter, daß mein Gesicht so gut wie völlig davon verdeckt war, wenn ich den Oberkörper

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