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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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wäre mir ein Truck in die Seite gefahren, der genau beim Umspringen der Ampelfarbe ausgekuppelt hatte – in Hongkong die wohl zweithöchste Ursache für Autounfälle der weniger gefährlichen Art. Als ich ein paar hundert Meter weiter südwärts war, griff ich in die Tasche, klappte den Kasten auf und hatte prompt die Stimme Bobby Hsiangs im Ohr.
    Â»Wo bist du?«
    Â»Kanton Road.«
    Â»Weißt du, wo die Pferderennbahn ist? In Sha Tin?«
    Â»Ich wette nicht, Bobby!«
    Â»Du sollst nicht wetten, du Idiot! Herkommen!«
    Â»Soll ich einem Gaul was flüstern, damit er für dich gewinnt?«
    Es dauerte ein paar Sekunden, dann sagte er knapp und barsch: »Fährst bis Tai Wai. Am Ausgang von Tai Wai steht ein Polizeiwagen. Er lotst dich.«
    Wenn mich Bobby Hsiang auf diese Weise irgendwohin bestellte, konnte ich sicher sein, er wollte nicht gerade die Behebung der russischen Finanzkrise mit mir erörtern. Also bog ich an der nächsten Kreuzung ab und machte mich auf den Weg in Richtung Pferderennbahn.
    An der letzten Imbißbude von Tai Wai stand tatsächlich ein Polizeiwagen und der dazu gehörende Trooper knabberte gerade an einem Hühnerbein, das erschreckend blutig aussah, weil der Brater, um zu verschleiern, daß es bereits ein paar Stunden auf der Wärmeplatte lag, es in Tomatenketchup gebadet hatte, was der Polizist sicher für eine neue amerikanische Eßmethode hielt und deshalb nicht beanstandet hatte.
    Â»Schmeckts?« konnte ich mich nicht bremsen, ihn zu fragen.
    Er nickte, kauend. Muffelte dann: »Lim Tok?«
    Â»Derselbe. Wie weit ist es?«
    Â»Zeh... Minu...« Er hatte mit Kauen zu tun.
    Â»Iß zuende«, forderte ich ihn auf. Wer konnte wissen, wie lange er schon Dienst schob!
    Wir schafften es dann, wie er vorausgesagt hatte, in nicht viel mehr als zehn Minuten, bis an den betonierten Rand der Steinmauer des Jubilee Reservoirs, einem der Wasserspeicher Kowloons. Und hier gab es wieder diese rote Farbe, diesmal auf dem Beton, nur daß dies hier kein Tomatenketchup war, sondern Blut, und das mit einer Polizeiplane zugedeckte Häufchen, ein paar Meter daneben, keine Partie Hühnerbeine, sondern ein Mensch. Besser gesagt das, was von ihm übrig war.
    Ich sah gewiß nicht den ersten Toten, aber diesmal muß mir die Farbe aus dem Gesicht gewichen sein, denn Bobby, aus einer Bastos die übliche Gestankswolke um sich verbreitend, erkundigte sich lauernd: »Ist dir nicht gut?«
    Mir war gut. Nur, daß er mich hierher bestellt hatte, war kein Zufall, es entsprang auch nicht einer verrückten Laune, dafür war Bobby zu ernst – er wollte, daß ich die Leiche identifiziere. Und das wiederum hieß, er nahm an, daß ich den Toten kannte. Es bedufte keiner langen Überlegungen, um darauf zu kommen, daß mir der Tod der Person da unter der Plane kaum Freude machen würde.
    Â»Wer ist es?«
    Bobby gab einem seiner Begleiter einen Wink. Der zog die Plane ein Stück beiseite: Es war trotz des vielen Blutes und der zersplittert durch die Haut gestoßenen Knochen kein Zweifel möglich, dies war Ai Wu.
    Ich nickte Bobby zu, der mir mürrisch bestätigte, es sei eine Formsache, denn er kenne den Mann ja schließlich auch. Außer mir würde aber gleich noch jemand vom Film hier erscheinen.
    Â»Wie ist es passiert?« wollte ich wissen. Das Reservoir war einer der idyllischsten Plätze in den New Territories. An der einen Seite des langgestreckten Sees, aus dem erstklassiges Trinkwasser gewonnen wurde, ragte eine Bergkette einige hundert Meter hoch auf, die andere Uferseite war flach, grün, wimmelte von großen Vögeln, von dort kam jetzt auch das schräge, trotzdem noch grelle Sonnenlicht, das tausend blitzende Reflexe auf das nur von einer leichten Brise gekräuselte Wasser zauberte.
    Bobby deutete mit der Zigarette, nachdem er den Aschekegel abgestippt hatte, nach oben auf einen Felsvorsprung, der sich etwa über der Stelle befand, an der wir jetzt standen. Ich begriff. Aber da gab es Fragen, trotzdem.
    Â»Gesprungen?«
    Bobby zog erst an seiner Bastos , bevor er mir antwortete: »Das da oben ist Needley Hill. Ausflugsgegend. Es gibt eine Autostraße, die folgt oben dem Seeufer, ein paar hundert Meter höher. Und es gibt Aussichtsplattformen ...«
    Als er pausierte, um Qualm auszustoßen, erinnerte ich ihn: »Du könntest als Reiseführer dein Geld

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