Schwarze Blüte, sanfter Tod

sich offenbar enger angefreundet hatten. Sie steckten oft zusammen. Gingen auch mal miteinander aus. Es war doch nichts dabei ... oder?«
    Nein, weiter nichts, als daß Keng Do-lin über das, was Ai Wu sich mit Yang Mou geleistet hatte, nach und nach ernstlich in Zorn geraten war, wenn ich richtig urteilte.
    Â»Und niemandem fiel auf, daß eines Abends ein bekannter Hongkonger Schauspieler unter den Zuschauern saß?«
    Sie zuckte hilflos die Schultern. »Um einzelne Gesichter unter den Zuschauern zu erkennen, bleibt wenig Zeit, wenn man spielt. Außerdem ... ich weiß nicht, ob viele von uns die Hongkonger Berühmtheiten überhaupt erkennen, wenn sie sie sehen ...«
    Â»Daß dieser Herr nach der Vorstellung mit Miß Yang sprach, oder daß er das wenigstens versuchte, hat auch niemand beobachtet?«
    Kopfschütteln. Dann: »Natürlich sprach ab und zu mal nach der Vorstellung einer mit uns, aber aufgefallen ... ich habe herumgefragt, ob Yang Mou einen auffallenden Besucher hatte – keiner sah einen. Ich weiß bloß, daß sie in der Nacht zu toben begann, und Keng Do-lin sie in die Klinik schaffen mußte ...«
    Ein Ermittler kann nicht immer gewinnen, sagte ich mir. Aber am Ende hat er doch meist die besseren Karten! Das Mädchen freute sich, als ich ihr versprach, ganz bestimmt wiederzukommen. Die Behörden hätten der Truppe übrigens die Erlaubnis für den Standplatz verlängert. Ob das der von Peking versprochene Abbau von Verwaltungsbürokratie war? Jedenfalls würden sie noch eine Weile spielen, das Geschäft lief gut ...
    Miß Logan war am Packen, als ich die etwa zweihundertneunzig Staus im Zentrum überwunden und mich zum Peak hinaufgequält hatte. Ich achtete darauf, daß mir die Zunge nicht gerade vor Durst aus dem Mund hing, als ich inmitten der saftig grünen Bäume des Luxusviertels erst einmal Sauerstoff in meine Lungen pumpte.
    Hier wohnten die Betuchten auch nach der Übernahme der Staatsverwaltung durch die Pekinger Klassensortierer weiterhin unangefochten, und man erzählte sich, ihre Gärtner seien die bestbezahlten der Welt.
    Boshafte Leute behaupteten allerdings schon seit geraumer Zeit, die Betuchten hätten ihr Geld meist bei Geschäften mit dem Mutterland gemacht, und zwar in der Zeit, als England und Amerika ein Embargo nach dem anderen gegen die Leute in der Volksrepublik verhängten, die sie damals »rote Barbaren« nannten, woraus heute die geradezu liebevolle Bezeichnung »verläßliche Partner« geworden ist, ohne daß die beiden warmen Zauberer aus Los Angeles daran mithelfen mußten.
    Aus den Embargos wurde nach und nach, wie man sich erinnert, eine regelrechte Blockade, und an Blockaden, das habe ich mir von Fachleuten sagen lassen, verdienen immer zuerst die, die sie verhängen, aber dann auch jene, die Wege finden, sie zu umgehen. So leben die Exporteure und Mittelsmänner, die ehemals den illegalen Handel managten, heute noch ganz gut auf dem Peak, in viel Sauerstoff, und es gibt niemanden, der ihre Idylle dort zu stören beabsichtigt. Im Gegenteil, wenn von dort jemand die Polizei anruft, er werde belästigt, rückt die so schnell an, wie sonst nur selten.
    Inzwischen habe ich gesagt bekommen, das verhält sich in der ganzen übrigen Welt so. Ich hatte das, als ich noch als Polizist Streife trabte, zwar schon geahnt – jetzt weiß ich, daß es stimmt.
    Trotz der Unordnung um ihre Koffer herum ließ Linda Logan, die chinesische Amerikanerin, es sich nicht nehmen, uns einen Tee zu brühen. Dabei hörte sie sich meine Geschichte an, schüttelte den hübschen Kopf und schien, nach ihrem Gesicht zu urteilen, das Schicksal der armen Miß Yang ernstlich zu bedauern. Über Ai Wu äußerte sie sich nicht. Ich nahm das höflicherweise nicht zur Kenntnis. Als ich sie fragte, ob sie sich an den Tag erinnere, an dem sie mit Ai Wu zusammen für den Film drehte, in dem sie, wie sie mir einmal erzählte, die Hofdame der letzten Kaiserin mimte, begann sie sogleich einen Koffer nach dem anderen zu duchwühlen, bis bald mehr Damenwäsche, Westen, Kleider und andere Utensilien einer reisenden Schauspielerin auf Sofas, in Clubsesseln und über die dicken Teppiche verstreut lagen, als ich in den Gepäckstücken überhaupt vermutet hatte.
    Das hörte abrupt auf. Sie schwenkte triumphierend einen schmalen, flachen Terminkalender und