Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
um den Termin herum durch, an dem Mrs. Ronaldo verschwunden war. Drei Tage zuvor fand sich ein Eintrag von »Ti. Wo.«. Und die Datierung ging, wie ich beim Weiterblättern entdeckte, bis zum Jahresende. Ein regelmäßiger Termin mit Ti. Wo.? Das alles konnte bedeutungslos sein, aber bei Sachen, die man nicht auf Anhieb wenigstens einigermaßen zu definieren imstande war, zahlt es sich immer aus, sie mit ein bißchen mehr Aufmerksamkeit zu bedenken.
    Ich behielt genug Zeit, mich in eine auf dem Schreibtisch liegende Preisliste zu vertiefen. Sie gab mir die Gewißheit, daß ich mich nicht in den Kreis der Kunden einreihen würde, auch nicht, wenn ich einmal ein Schmuckstück von bleibendem Wert für Pipi zu erwerben wünschte – die Preise bei Ronaldo’s mochten für indische Speiseöl-Maharadschas verträglich sein, für einen mäßig verdienenden Privatermittler wie mich hatten sie Horror-Charakter.
    Â»Ein selten nettes Ehepaar!« schwärmte Miß Silva schon an der Tür, als sie endlich zurückkam. »Zwei Leute, die so unermeßlich reich sind, aber dabei so bescheiden ...«
    Ich versuchte es mit einem Spaß: »Hoffentlich haben sie nicht allzu bescheiden eingekauft!«
    Sie lächelte wie Fachleute zu lächeln pflegen, die sich über die Unkenntnis eines Laien insgeheim amüsieren: »Das wird sich erst übermorgen herausstellen, Mister Lim Tok. Kunden mit hohen Ansprüchen pflegen sich nicht auf Anhieb im Ladengeschäft zu entscheiden. Mister Chakaloo und seine Gattin haben eine Vorauswahl getroffen. Diese Stücke werden ihnen heute noch in ihr Hotel gebracht, ins Castle Peak . Bis morgen abend werden sie in aller Ruhe auswählen. Erst dann wird das Geschäft abgeschlossen ...«
    Â»Oh«, machte ich, »das Castle Peak liegt so herrlich! Mit dem Blick über die Bay, bis Lan-tau ...« Ich hatte sie mit meinem Scherz nicht erheitern können. Nun beklagte sie sich sacht: »Sehr schön, ja. Nur – seit der neue Flughafen in Betrieb ist, kann von der einstigen Ruhe an der Bay nicht mehr die Rede sein. Die moderne Zivilisation ...«
    Ich hätte ihr gern etwas von der Lärmbelästigung erzählt, die von den Bewohnern Kowloons Jahrzehnte hindurch ertragen worden war, wenn eine Maschine nach der anderen zum Greifen nahe im Anflug auf den alten Flughafen Kai Tak über die Häuserschluchten hinweg donnerte, aber ich unterdrückte den Wunsch. Zumal die Lady mir gar nicht mehr zuhörte, sondern etwas versonnen bemerkte: »Mrs. Chakaloo steht übrigens sehr stark auf schwarze Perlen. Sie hat sich sofort in die Garnitur verliebt, die ich ihr zeigte. Wir haben sie erst vor einigen Tagen hereinbekommen. Exzellente Form. Traumhafter Glanz. Und gediegen gefaßt ...«
    Schwarze Perlen waren in Mode gekommen. Wieder einmal. Wie so manches, das für eine gewisse Zeit keine Chance gehabt hatte.
    Â»Ich glaube«, fragte ich, »sie kommen aus dem Mutterland?«
    Das bestätigte sie. »Südchina, ja. Sie züchten sie dort in Teichen. Süßwassermuscheln. In der letzten Zeit ist die Qualität sehr gut geworden. Und der Einkaufspreis ist moderat geblieben ...«
    Sie hatte sich nicht wieder gesetzt. Eine zarte Andeutung, daß es eigentlich nichts mehr gab, was wir noch miteinander hätten erledigen können. Deshalb meldete ich vorsichtig an: »Ich würde sehr gern, wenn Sie die Zeit noch erübrigen könnten, einen kurzen Blick in das Geschäftszimmer von Mrs. Ronaldo werfen ...?«
    Â»Aber ja!« Während sie vorausging, konnte ich mich am Anblick ihrer Rückfront erfreuen. Lohnenswert. Das war nicht mehr ein hüftschwenkender Teenie. Die Frau war erwachsen. Im besten Sinne. Ein Fest für sachkundige Augen, dieses Prachtstück aus dem Zauberland portugiesisch-chinesischer Intimverbindungen vor schätzungsweise vierzig Jahren! Genuß mit zwanzig Prozent. Gab es da keinen erwachsenen Herrn? Oder vielleicht einen jüngeren Glücksjäger? Man hörte in der letzten Zeit immer öfter, daß gerade Frauen dieser Reifegruppe sich ihre Freunde unter den Jahrgängen suchten, bei deren Geburt sie bereits ihren Lehrern schlaflose Nächte bereitet hatten. Aber es wäre eine rüde Entgleisung gewesen, Miß Silva danach zu befragen. Vielleicht verbarg sich hinter der vierzehntäglichen Eintragung »Ti. Wo.« im Kalender ja ein solcher Herr,

Weitere Kostenlose Bücher