Schwarze Blüte, sanfter Tod
Leihgabe von Schmuck für seine Modenschau in den Räumen des Teesalons zu den zehntausend Buddhas begrüÃen zu können. Beste Zeit am frühen Nachmittag. Aber er sei selbstverständlich durchgehend mit seinen Mannequins da, um die letzten Vorbereitungen abzuschlieÃen.
»Eigentlich keine sehr spektakuläre Sache«, informierte mich Mià Silva. »Wir stellen öfters für solch eine Schau Schmuck zur Verfügung. Per Leihvertrag. Ist für uns eine günstige Werbung. Kostenlos.«
Ich hatte mir die Anschrift Mister Bai Lius inzwischen notiert. Vielleicht war ja ihm während seiner Unterredung mit Mrs. Ronaldo etwas aufgefallen.
So gab es für mich hier nicht mehr viel zu bestellen. Entdeckt hatte ich auÃer einer umwerfenden Frau nichts weiter, was der Rede wert gewesen wäre. Es würde auf die übliche mühsame Kleinarbeit hinauslaufen, denn nichts, was ich bisher wuÃte, lieà ein Mordmotiv erkennen. Auf den ersten Blick jedenfalls. Was sich auf den zweiten ergab ... nun ja. â
»Ich habe Ihnen sehr, sehr zu danken!« verabschiedete ich mich deshalb von Mià Silva. Sie nahm das mit einem königlichen Lächeln zur Kenntnis. Zum Wiederkommen forderte sie mich allerdings nicht auf. Aber sie hauchte ein: »Viel Erfolg, Mister Lim Tok!«
Es war Verzauberung auf den ersten Blick gewesen. Und auf den letzten ...
Bis zu jenem Zentrum am alten Kowloon-Kanton-Bahnhof war es nicht weit. Ein wenig enttäuschte mich dort der supermodern eingerichtete Teesalon zu den zehntausend Buddhas . Er hatte weder etwas von einem traditionellen Teehaus noch von Buddha. Trotz der vielen Chinoiserie an der Decke und an den Wänden, trotz der nachgemachten groÃen Fächer, der Rattan-Möbel und der unzähligen Buddhafiguren, die überall herumstanden und hingen. Der Allweise in Varianten, die sich wohl nur chinesische Architekten während ihrer Studienzeit in Amerika ausgedacht haben konnten. Fehlte lediglich der mit dem Big Mac zwischen den Zähnen und der mit der Sonnenbrille von Ray Ban Optics.
Aber der Tee war trinkbar, wenngleich nicht von der erlesenen Qualität wie jener im Büro von Mià Silva. Ich hatte mich in eine Nische gesetzt, nachdem mir die Madame am Tresen auf meine Frage nach Mister Bai Liu versichert hatte, er werde jeden Augenblick erscheinen.
Sein Revier, wenn ich es so bezeichnen darf in meiner Unbildung, was Mode anbelangt, war bereits abgesteckt: aus den hinteren Gemächern zog sich ein Laufsteg durch den Hauptteil des Lokals bis in die Nähe des Eingangs. Die Dekoration war noch nicht vollständig. An der groÃen, beleuchteten Reklameschrift BAIâLIUâMODEN âINTERNATIONAL fehlten noch einige Buchstaben. In chinesischen Zeichen gab es sie gar nicht. Der Meister baute wohl nicht auf ihre globale Wirksamkeit und blieb lieber in den wohlerprobten englischen Sprachgefilden. Er sah auch genau so aus, fand ich, als er, wie die Tresendame es vorausgesagt hatte, plötzlich auftauchte.
Ich ging ihm entgegen, aber vor mir erreichte ihn ein junges Mädchen, das urplötzlich heranschoà und sich vor ihm aufbaute, ihm den Weg verstellend. Ich hörte, wie sie hervorsprudelte, daà sie schon längere Zeit einen Kurs für Mannequins besuche, und â sie drehte sich flink um die eigene Achse â ihre Figur, habe man ihr dort versichert, sei genau das, was man auf dem Laufsteg unbedingt sehen wolle.
Mister Bai Liu kam mir vor wie ein Männerliebhaber in der von einem Hippie in Wanchai abgelegten Berufskleidung. Er schien Wert darauf zu legen, daà nicht nur die groÃzügig seine BlöÃe verhüllenden Textilien in diesem Sinne wirkten, auch seine Frisur tat das. Strähniges Haar, im Genick zu einem Knoten geschlungen. Selbstverständlich Jeans, an den Knien durchgewetzt, die Schuhe konnten von einer Halde hinter dem Sportplatz oben an der Boundary Street stammen, man erkannte bei genauem Hinsehen gerade noch, daà sie ursprünglich wohl einmal weià gewesen waren.
»Umdrehen!« kommandierte er. Als das Mädchen seinen Befehl ausführte, griff er ihr ungeniert an den Hintern und befand: »Zu dick. KörbchengröÃe?«
Sie flüsterte so leise, daà ich es gerade noch hören konnte: »Ah, bitte!«
Er winkte ab. »Zu flach. Milch trinken. Massieren lassen. Von Männern. Mehrzahl. In einem Jahr vielleicht ...«
Sie schien aufzugeben.
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