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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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der Stadtregierung, einen neuen Wolkenkratzer bauen zu lassen. Mit hundertzwei Etagen und fünfhundertachtzig Metern Höhe sollte er das höchste Gebäude der Welt sein. Hotels sollten sich darin befinden, Büros, auch Parkdecks. Aber der Höhenrekord würde, wie man neuerdings erfuhr, nur von kurzer Dauer sein, denn in Chicago hatten sich die Stadtväter gleich nach Bekanntwerden unserer Absicht entschlossen, ihrerseits ein Gebäude zu errichten, das über sechshundert Meter hoch sein sollte. Was bei uns die Gewißheit nährte, die Amerikaner hätten absolut keine eigenen Ideen, sie wären so gut wie immer auf das angewiesen, was wir Chinesen ihnen vormachten.
    Gegen Mitternacht, als die meisten Touristen längst in ihre Herbergen aufgebrochen waren, und der ruhigere Nachtbetrieb begann, deutete Nello auf einen Flecken an der Decke und lallte: »J ... j ... jetzt will ich den G ... Gecko, d ... der da sitzt, serviert ... haben! In Ch ... Chilisoße ...!«
    Worauf Mutter einen Taxifahrer zu Hilfe rief, der auf den Transport derart geschädigter Gäste spezialisiert war. Er trug Nello aus dem Hibiskus heraus, in sein Taxi, und lieferte ihn zu Hause ab.
    Mutter wie auch Pipi versicherten mir, sie hätten seit langem nicht mehr einen so spaßigen Abend gehabt.
    Haben Sie schon einmal, wenn Sie einem Menschen gegenüberstanden, das Gefühl gehabt, keinen Schlüssel zu ihm zu finden? Sie schwanken schon bei der Begrüßung zwischen einem freundlichen »Hallo!« und dem stinkförmlichen Wunsch für einen guten Morgen. Wissen sich keinen Rat, ob Sie so offenherzig verfahren sollen, wie Sie es gewöhnt sind, denn dann müßten sie einfach hauchen: »Himmel, sind Sie schön!« Aber sie wollen auch keinen Fehler begehen.
    Mir ging es mit der Lady Silva so, als ich ihr am nächsten Morgen in dem Schatzkasten von Geschäft gegenüberstand, das dem abgestürzten Herrn Ronaldo gehört hatte, seiner verschwundenen Gattin – und, wenn Nelson Quok nicht geflunkert hatte, dieser Dame.
    Ich erinnerte mich an Nellos Feststellung, Miß Silva sei für jede Sünde gut. Wenn ja, dann gab sie das allerdings nicht zu erkennen. Im Gegenteil, sie erinnerte eher etwas an eine Gouvernante. Nur daß sie schöner aussah als alle Gouvernanten, die ich je gesehen hatte.
    Nicht hübscher – schöner, wenn Sie erfassen, was ich auf meine unbeholfene Weise sagen will! Hübsch ist Bea Wu, die abends im Juno singt, in der Bar des Dachrestaurants im sechsundzwanzigsten Stock, das sich unablässig um seine eigene Achse dreht. Ein hübsches Ding mit einer sympathischen Stimme. Wenn sie in ihrem engen Kostüm bestimmte Bewegungen vollführt, hat es schon Ohnmachtsanfälle im Publikum gegeben. Ich würde nie auf die Idee kommen, sie als »schön« zu bezeichnen. Halten Sie es bitte nicht für Reiskornspalterei, aber »schön«, das hat eine andere Qualität. Das paßt auf eine Dame wie Miß Silva.
    Sie war so groß wie ich. Hatte die Figur eines Models, das – um die Vierzig vielleicht – einen Tycoon heiratet und nicht unbedingt mehr auf Nachwuchs aus ist. Ihr Haar fiel in sanften Wellen um ihr äußerst sparsam geschminktes, angenehm anzusehendes Gesicht mit den ruhig blickenden, dunklen Augen, aus denen sie mich musterte, wobei ich sofort zu spüren glaubte, daß ich ihr nicht etwa gleichgültig war. Ob ich sie interessierte?
    Bobby Hsiang, mein alter Freund, Kollege meiner ersten Erfahrungen im Polizeidienst, der selbst vor der schönsten Dame der Welt keinen Respekt hätte, riet mir einmal, als wir uns über solche Situationen unterhielten: »Du darfst dich nicht beeindrucken lassen. Wenn dir so ein Gefühl ankommt, mußt du sofort schalten. Am nüchternsten wirst du handeln können, wenn du dir eine solche Dame in Unterwäsche vorstellst. Sechs Wochen getragen. Auch den Geruch mußt du dir vorstellen. Und eine Warze auf jeder Arschbacke. Oder, besser noch, einen eiternden Furunkel, das hilft garantiert. Dazu mußt du völlig ungerührt und ohne Bedenken laut rülpsen ... wirst sehen, das killt den faulen Zauber ...!«
    Um es vorweg zu sagen, ich brachte es nicht fertig, Miß Silva anzurülpsen. Auch mit dem Furunkel wurde es nichts. Und die Sache mit der Unterwäsche fiel völlig aus.
    Ich hatte an diesem Morgen noch einen etwas schweren Kopf, von der

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