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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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»Familienfeier« am Vorabend.
    Als ich beim ersten Lichtschein, der durch das Bullauge gekrochen war, die Lider auseinanderzerrte, hatte ich bemerkt, daß Pipi bereits weg war. Obwohl die See ruhig lag und meine in Aberdeen verankerte Wohndschunke nur ganz leicht schwojte, kam mir das vor wie steifer Seegang. Ich schaffte es, mich zu waschen, anzukleiden, und dann pfiff ich mir ein Wallah Wallah herbei, das mich an Land brachte, wo ich einen Becher Tee an einem Trinkhäuschen zu mir nahm. Worauf ich dann die Fahrt quer durch die Insel nach Kowloon antrat. Dort machte ich erst einmal am Bufett des Y. M. C. A.-Hauses den Versuch, meinem Magen etwas Festes zuzumuten. Es blieb sogar drin. Und nun war da Miß Silva ...
    Ich nahm die schmale, ungeschmückte Hand, die sie mir hinhielt und deutete eine Verbeugung an. Während ich noch überlegte, womit ich sie wohl am besten beeindrucken könnte, sagte sie mit einer Stimme, die mir noch sanfter vorkam, als die von der Dame »Kleiner Drachen«, die sich beim Sender HKKC immer durch das nächtliche Musikprogramm plaudert: »Ich habe Sie erwartet, Mister Lim Tok. Der gute Stanley Haw aus Macao hat am Morgen angerufen und mir angekündigt, Sie würden kommen ...«
    Sie führte mich in einen kleinen, abgeteilten Raum, offenbar ihr Büro. Es hatte gläserne Wände. Ermöglichte freien Blick auf den gesamten Laden, so daß man Kunden und Verkäufer stets im Auge haben konnte.
    Â»Ein Lapsang Souchong?«
    Als ich gedankenversunken nickte, sagte sie die gleichen zwei Worte ins Telefon, und Minuten später servierte uns ein junges Mädchen den Tee mit dem unvergleichlich rauchigen Aroma, das er erhält, wenn er über extra harzigem Fichtenholz geröstet wird. Ein »Schwarzer«, den nur Leute mit erlesenem Geschmack zu schätzen wissen.
    Ich hatte angenommen, die Wahl dieser Delikatesse würde meinen Status in den Augen von Miß Silva weiter in die Höhe schrauben, aber sie ließ das nicht erkennen. War von einer Höflichkeit, wie sie in solchen Geschäften wohl am liebsten Kunden entgegengebracht wird, die Geschenke mit einem Preis über achthundert Dollar zu kaufen pflegen.
    Nach und nach fühlte ich mich in Gegenwart der bezaubernden Frau dann etwas sicherer. Wir kamen auf das Verschwinden der Chefin zu sprechen, und sie schilderte mir ein wenig den Geschäftsablauf, für den Fall, daß ich daraus Schlüsse ziehen könnte.
    Â»... Nein, es gab in den letzten Tagen hier keinen Vorfall, aus dem ich einen Verdacht ableiten würde. Wenn ich es genau überlege, seit Wochen nicht ...«
    Sie war von einem Entgegenkommen, das mich überwältigte. Meist sind die Angestellten betuchter Leute ziemlich reserviert, wenn man sie ausfragen will. Nicht sie. Es war buchstäblich eine Freude, mit ihr zu plaudern. Vor allem weil sie nicht durchblicken
    ließ, daß sie sich etwa belästigt fühlte, nein, sie erzählte, als mache es ihr Spaß. War das wirklich so? Oder gab sie sich nur den Anschein, um mich nicht zu beleidigen? Ich hielt es für echt und nahm bereitwillig auf, was sie auspackte.
    Â»Wissen Sie, Mister Lim Tok, unser Geschäft hat ja eine gewisse Exklusivität. Das siebt Publikum, wenn ich es mit Ihrer Erlaubnis einmal so vereinfachen darf. Leute in Turnschuhen oder in verschlissenen Jeans, so teuer sie auch einmal gewesen sein mögen, Unrasierte oder ähnliche Gestalten sehen wir hier nicht. Wir haben Stammkunden, mit denen stehen wir laufend in Verbindung. Sie werden über den Eingang bestimmter Artikel informiert. Dann besuchen uns Touristen. Auch hier sind es eben nicht die Tagesreisenden, die Billigklasse fliegen, es handelt sich vielmehr ...« Sie zögerte, setzte ihr unnachahmliches Lächeln auf, als sie mich anblickte. »Darf ich sagen, es handelt sich um Betuchte? Nicht um sie abzustempeln – ich möchte Ihnen nur eine richtige Vorstellung von unserem Kundenkreis geben. Sehen Sie, da gibt es alte Bekannte, die reisen bis von Australien her an. Mit dem eigenen Flugzeug. Oder gutsituierte ältere Herren und Damen aus Indonesien, die mit ihren Privatyachten unterwegs sind ...«
    Sie verstand es meisterhaft, unserem Gespräch den Charakter einer Befragung zu nehmen. Machte es zu einem privaten Plausch bei Lapsang Souchong, einer legären, beinahe erholsamen Angelegenheit.
    Als ich mich nach dem Personal erkundigte, wies sie auf zwei

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