Schwarze Blüte, sanfter Tod
Notiz für dich. Hol sie bald ab, du wirst klüger sein, nachdem du sie gelesen hast. Ich muà auf den Peak ... Sehe dich später!«
Ich fragte noch schnell, ob schon wieder eine reiche Tante verschwunden wäre, und er knurrte gerade noch: »Familiendrama mit Nebenfrau!« Dann war die Verbindung tot.
In der Halle des Excelsior wimmelte es von Leuten, die mir alle seltsam festlich gestimmt schienen. AuÃerdem trugen sie meist seriöse Kleidung. Nicht wie die Besserverdiener-Touristen, die sonst da herumgeisterten, in nachgemachten Hawaii-Hemden, Wanderschuhen, mit Baseballkappen verkehrt herum auf den Haarteilen â nein man sah geschlossene Anzüge. Schlipse ohne Südseemädchen drauf. Bei den Damen sogar Kostüme.
Pipi schob mir schnell die Nachricht Bobbys zu, und als ich mit einer Kopfbewegung die Frage andeutete, was denn los sei, verriet sie mir schnell noch flüsternd, daà die Internationale Bibelgesellschaft ihre Jahrestagung über den Einfluà des heiligen Wortes in Asien hier abhielt.
Ich setzte mich in einen freien Clubsessel und las, was Bobby mir, einigermaÃen leserlich geschrieben, zurückgelassen hatte:
1.) Anwalt kooperativ. Testament der Mrs. Ronaldo, nach Tod des Ehemanns aktualisiert, einwandfrei.
Konstruktion: Wenn der erste stirbt, erben die beiden anderen Teilhaber seinen Anteil, (Mrs. Ronaldo u. Mià Silva) zu gleichen Teilen.
Stirbt der zweite, bleibt dem dritten auch dessen Anteil.
(Das gilt auch für das private Eigentum, mit der Ausnahme, wenn zuerst einer der Eheleute stirbt, dann erbt zunächst der Hinterbliebene des Paares). Keine Einschränkungen sonst.
Auch keine Differenzierung bei den Todesursachen.
Gesamtwert des heutigen Erbes nach vorsichtiger Schätzung des Anwalts (einschlieÃlich Laden u. Privathaus) etwa 30 Millionen HK-Dollar.
Ãber etwaige Auslandskonten hat Anwalt keine Kenntnis.
Von Mià Silva ist seit dem Verschwinden der Mrs. Ronaldo noch keine Nachfrage erfolgt, die Aufschluà über Erbschaftsmodalitäten erbittet.
Anwalt erklärt aber, daà Mià Silva die Bedingungen kennt, da das ihm vorliegende Testament die Unterschriften aller drei Beteiligten trägt.
2.) Computer zeigt über »Ti. Wo.« nichts an. Wiederhole: Nichts!
3.) Wenn dich die Wohnungen interessieren: Haus Ronaldo = Kings Park Rise 6. T: 62 87 301
Wohnung Silva = Kowloon Park Drive 27/A/7 T: 25 58 807.
4.) Beweismittel bleiben an Ort und Stelle!
5.) SCHWEIGEN!
6.) S C H W E I G E N !
Nichts, was mich über Gebühr überrascht hätte. Mit Ausnahme, daà sich Bobby die Arbeit gemacht hatte, mir das alles aufzuschreiben. Eigentlich aber nur die Bestätigung, daà nach der gemeinsamen Vereinbarung nun Mià Silva der Laden gehörte, ebenso wie das Haus der Ronaldos und deren Privateigentum. Eine fette Erbschaft. Was irritierte mich daran? Ich grübelte. Aber ich konnte es nicht auf Anhieb sagen.
Ich entschloà mich zu einem Kaffee, den mir Pipi brachte, als sich in dem Trubel um die Rezeption eine Lücke zeigte, weil ein paar Stadtführer zum Aufbruch gerufen hatten.
Während ich so in meinem Sessel über die Welt und ihre Leiden nachdachte, vor allem über das, was Mrs. Ronaldos Tod nun Mià Silva beschert hatte, fiel mir ein, was ich als nächstes tun sollte. Da war das Haus der Ronaldos. Und da war Mià Silvas Wohnung. Bobby Hsiang hatte sich, wie ich ihn kannte, etwas dabei gedacht, als er mir die Adressen notierte. Wollte mich wohl aufmerksam machen, daà ich an Ort und Stelle noch keine Polizei antreffen würde, wenn ich mich beeilte. Kein Siegel. Hoffentlich auch keine Putzfrau. Oder ein vergessener Liebhaber, der in Mià Silvas Bett von ihren gütigen Augen träumte ...
Wie schnell sich die Welt verändert, wurde mir wieder einmal klar, als ich sah, daà Pipi inzwischen erneut voll im Streà stand. Ein Ehepaar, das aussah, wie Mr. John D. Rockefeller und Gattin auf ihrem letzten Foto, lieà sich grade erklären, was man erblickte, wenn man aus dem Fenster des Zimmers schaute, das sie beziehen wollten. Pipi schilderte ihnen das mit einer Geduld, die mich wieder einmal in Bewunderung versetzte. Sie winkte mir nur zu, ohne das professionelle Lächeln abzuschalten.
Im Tunnel stank es wie immer nach kaltem Dieselqualm. Dafür wurde der Anblick Kowloons, je weiter ich nordwärts kam, um so angenehmer. Die Kings Park Rise war eine sehr sanfte
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