Schwarze Blüte, sanfter Tod
Anhöhe, nach der idyllischen kleinen Grünanlage mit dem Namen Georges des V. benannt. Nur wenige Villen. Das Domizil der Familie Ronaldo machte einen gepflegten Eindruck. Keinen protzigen. Es war betont klein geraten. Nicht der ausladende britisch anmutende Landsitz, sondern eher das etwas amerikanisch wirkende Quartier für Leute, die sich selber genügen und nicht jeden Abend den Kamin anwerfen, um eine Horde gelangweilter Abstauber mit Cocktails zu versorgen.
Vorsichtshalber parkte ich meinen nicht mehr ganz fabrikneuen Toyota, der sich in dieser Umgebung wie ein schäbiger Fremdkörper ausnahm, ein wenig bergab und wählte erst einmal das Haustelefon.
Obwohl ich es minutenlang rufen lieÃ, nahm niemand ab. Also machte ich mich auf. Beobachtet zu werden, war kaum zu befürchten. Die Sicht von den anderen Häusern her war durch Büsche verstellt. Der Briefkasten im Zaunpfeiler quoll über. Vorsichtig fischte ich zwischen Zeitungen und Prospekten die Briefe heraus. Die Umschläge wiesen die Adressen von Amtsstellen auf. Nichts Privates. Uninteressant für mich. Ich steckte alles wieder in die Ãffnung im Pfeiler.
Das Haustürschloà machte meinem Universalinstrument, das Wan Li-tse konstruiert hatte, ein alter, nicht ganz astreiner Freund, Genie in technischen Fragen, keine Schwierigkeiten. Zuerst, bevor ich das Haus durch die Tür betrat, vergewisserte ich mich, daà es keine Kameras gab, die ungebetene Besucher aufzeichneten. Nichts davon war zu entdecken. Die Ronaldos hatten wohl darauf verzichtet. Nur eine der gängigen Lichtschranken für eine Alarmanlage war in Betrieb, die ich rechtzeitig entdeckte, um sie umgehen zu können.
Das Haus war zwar gediegen, aber nicht luxuriös eingerichtet. Offenbar hatten die Besitzer nicht zu der Kategorie von Angebern gehört, die sich nur wohlfühlen, wenn sie pro Stunde mindestens drei Leute darauf aufmerksam machen können, daà sie immens verdienen und sich jeden Quark leisten können, der genau für sie, in Kenntnis ihrer Schwäche, produziert wird. Vom Sessel bis zum Teppich solide Ware.
Die technische Ausstattung von Küche und Bad auf dem modernsten Stand, aber nicht überzogen modernistisch. Das lieà sich auch von dem sagen, was sich in den Kleiderschränken fand, und sogar die Wandregale mit den Büchern lieÃen darauf schlieÃen, daà die Ronaldos nicht zu den Liebhabern von hochstapelnden Spinnereien gehört hatten â sie bevorzugten augenscheinlich solide Hausmannskost, was die Autoren anging. Wenngleich eine leichte Schwäche für teure Glanzpapier-Bildbände festzustellen war, wobei allerdings Sammlungen mit Schmuck oder dekorativen Dingen überwogen.
Es gab ein paar Fotoalben, in denen das Ehepaar auf Reisen festgehalten war: Peking, Manila, Australien, Ãgypten ... Ich blätterte die Sammlungen durch, und am Ende war ich nicht klüger als zuvor. Eine offenbar ungestörte Ehe. Zwei Leute, die ein gutgehendes Geschäft betrieben und ein weder auffällig bescheidenes noch ein überladenes Leben führten. Was hatte zum Tode von Mrs. Ronaldo geführt? Wo war hier der Schatten eines Motivs?
Blieben die Behältnisse mit den ganz persönlichen Sachen. Um alle Schubladen so zu durchsuchen, daà die Polizei, die unweigerlich nach mir kommen würde, nicht sofort feststellen könnte, es war schon jemand am Kuchen gewesen, brauchte ich knapp zwei Stunden. Ich fand Briefe mit wenig belangvollem Inhalt, Aufzeichnungen über Ausgaben, eine ganze Mappe von Gutachten über den Wert von Steinen, Handwerkerrechnungen, Zettel mit Kochrezepten, Kalender von verflossenen Jahren, Kramzeug aller Art, von der Büroklammernsammlung bis zu einem Arsenal der verschiedensten Schreibgeräte, Kopfschmerztabletten und unbenutzte Kleinbildfilme für eine ebenfalls vorhandene Kamera â übrig blieb, zur genaueren Durchsicht, lediglich ein AdreÃbuch. Ich entschloà mich, es einzustecken.
Dann entdeckte ich, daà Mrs. Ronaldo einen Anrufbeantworter hatte. Ich lieà ihn routinemäÃig zurücklaufen und hörte ihn ab. Lauter nichtssagende Mitteilungen über schrankfertig gereinigte Kleidung, fällig gewordene Zahlungen, Empfehlungen und Erinnerungen. Bis auf die letzte Aufzeichnung. Da meldete sich eine etwas belegte Stimme mit einem Akzent, den ich zuerst nicht einordnen konnte, bis ich darauf kam, daà es sich um jemanden handeln
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