Schwarze Blüte, sanfter Tod
Billighändler, Hähnchenbrater und Kneipen, die der Spaziergänger und »Servicemädchen«. Juwelen, echte, teure, kauft zu dieser Tageszeit â jedenfalls in Hongkong â kaum mehr einer. Das tut man, solange die Sonne scheint. Auch wenn sie sich zwischendurch mal hinter Wolken versteckt. Eigenartig. Aber es führt dazu, daà renommierte Juweliere abends Zeit für sich haben.
Mià Silva plagte sich noch mit der Zwischenbilanz ab. Aber sie schien den gröÃten Teil der Arbeit geschafft zu haben, denn sie warf sogleich den Wasserkocher an und erkundigte sich bei mir: »Lapsang Souchong?«
Ich lächelte zurück wie ein erhörter Verehrer: »Daà Sie sich daran erinnern!«
Sie bereitete das kräftig duftende Getränk diesmal in Deckeltöpfchen, wie sie überall von den Leuten benutzt werden, die Teetrinken nicht gerade als Zeremonie betreiben. An jedem Arbeitsplatz fand man sie. Mit Ausnahme der Hochglanz-Büros, in deren Vorzimmern die amerikanischen Kühlschränke summten und die Herren Manager sich eiskaltes Mineralwasser zwischen die Magengeschwüre gossen. Nach Kenntnis der alten chinesischen Mediziner soll man ja in heiÃem Klima, wie wir es hier haben, nie eiskalt trinken. Aber was sind schon die Weisheiten der alten Chinesen für amerikanisch geschulte Vorständler in Milliardenkonzernen! Ihnen ist es egal, ob auf ihr eiskaltes Mineralwasser hin der Schweià nicht flieÃen kann, und das Herz mächtig zu pumpen hat, notfalls lassen sie sich mit vierzig pensionieren und verjubeln eine Abfindung, für die zwei Chinesen je achtzig Jahre arbeiten müÃten. Ob die Götter über soviel Unvernunft und Ungerechtigkeit traurig sind, ist ihnen egal!
Als ich mir erlaubte, darüber ein paar Ãberlegungen anzustellen, lachte Mià Silva vergnügt und bestätigte mir, daà sie selbst kalten Sprudel auch als ungesund empfinde, abgesehen davon, daà er absolut keinen Geruch habe. Nicht einmal einen schlechten.
Sie erschien mir geradezu heiter, verglichen mit unserem ersten Treffen. Trug, der Abendstunde angemessen, ein tiefgrünes Kostüm aus hauchzartem Strickmaterial. Und darunter eine weiÃe Bluse. Nicht wie die In-Puten, die unter dem Jackett neuerdings sogleich die nackte Haut boten. Mit dem Ergebnis, wie Pipi herausgefunden hatte, daà man so ein Jackett, in dessen Kragen unablässig Hongkongs mit Luftdreck gemischter Schweià einzog, alle vier Wochen nur noch in den Container der Heilsarmee werfen konnte.
Ich hätte der Lady Silva gern gesagt, daà ich ihre Gesellschaft schätzte. Aber ich lieà das lieber. Wollte sie nicht erschrecken. Sie erzählte, daà der gute alte Lao Tse für ihre Zwischenbilanz sehr gut vorgearbeitet hatte. Er sei überhaupt für das Geschäft unentbehrlich. Und sie informierte mich mit dem Gesicht einer Toto-Gewinnerin, daà Mrs. Chakaloo, die Gefährtin des indischen Nabobs, die ich bei meinem letzten Besuch erlebt hatte, sich doch für die Garnitur mit den schwarzen Perlen entschieden hatte: »Ein wahrhaft fürstliches Geschenk!«
Das gab mir die Chance, zwischen zwei vorsichtigen Schlucken aus dem Deckeltöpfchen unauffällig zu der ebenso vorsichtigen Frage zu kommen, ob sie sich denn schon einmal überlegt habe, wie es mit dem Geschäft weitergehen sollte, für den hoffentlich nicht eintretenden Fall, daà Mrs. Ronaldo endgültig verschwunden blieb.
Ohne daà ich es sie merken lieÃ, beobachtete ich ihre Reaktion. Das Auffinden der toten Juweliersgattin war ja von der Polizei bis jetzt nicht bekannt gegeben worden. Aber Mià Silvas Gesichtsausdruck schaltete sofort auf tiefe Betroffenheit um. Und sie sagte ziemlich gedrückt: »Wissen Sie, Mister Lim Tok, nach ihrem so langen Ausbleiben gewinnt bei mir immer stärker das unheimliche Gefühl die Oberhand, es könnte etwas sehr ernstes passiert sein ... etwas mit schlimmen Konsequenzen ...«
Es war mit sehr viel Gefühl gesagt. Vielleicht mit ein biÃchen zuviel. Ich empfand es als nicht ganz ehrlich. Die meisten Dinge, die mit überbetontem Gefühlsaufwand gesagt werden, sind das. Aus den verschiedensten Gründen. Besonders bei Frauen. Und bei dem vielen Gefühl, das ihr die Erinnerung an Mrs. Ronaldo ablockte, erinnerte ich mich, daà Mià Silva noch Sekunden zuvor eher unbeschwert und geradezu gelöst auf mich gewirkt hatte. Sie war eine
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