Schwarze Blüte, sanfter Tod
vorsichtshalber noch einmal, ob ich richtig sei. Aber ich hatte mich nicht geirrt. Als ich Jerome Blondel erwähnte, wurde aus dem mürrischen Flunsch der Dame plötzlich ein freundlich lächelndes halbchinesisches Gesicht, und sie erkundigte sich, wie es dem Herrn Redakteur gehe.
So führte ich mich doch noch mit einem Scherz ein. Ich erzählte ihr nämlich von Blondels Qual, dreimal hintereinander das essen zu müssen, was Amerikaner von heute als Nahrung bezeichnen, und da lachte sie sogar laut. Wenn sie so lachte, vermutete man, daà sie wohl doch nicht ganz so altjüngferlich war, wie es der erste Eindruck vermittelte. Meine Erfahrung: Wer fröhlich zu lachen versteht, egal über was, mit dem kann man getrost gemeinsam lachen.
»Sie sind dieser Detektiv?« erkundigte sie sich. Als ich das bestätigte, musterte sie mich noch einmal von den Haaren bis zu den Sandalen: »Mister Blondel hat Sie genau beschrieben!«
»Guter Blick ist das halbe Honorar für einen Journalisten«, machte ich sie aufmerksam. »Würden Sie mir sagen, was das Geschäft der TVCC ist?«
Sie sagte es mir so locker, daà mich die Jahrhundertbrille plötzlich gar nicht mehr störte. Auch nicht ihr straff zurückgekämmtes Haar mit dem GroÃmutterzopf. Oder die unrasierten Augenbrauen und die schmalen Lippen, auf denen sich wohl noch nie ein Rotstift getummelt hatte. Nicht einmal die weiÃe Rüschenbluse, die sie trug, und die auf der Frontseite eher eine Mulde aufwies, statt einer Wölbung, brachte mich zum Grinsen.
»Wir koordinieren«, sagte sie.
Sie lächelte, als ich etwas platt »Aha!« machte. Dann klärte sie mich auf: »Wir verhandeln beispielsweise über Reportagen oder Interviews, die TV-Teams machen wollen. Verabreden Zeiten. Verbinden offene Sendungen mit Werbungsideen, sorgen dafür, daà die Leute die richtigen Interviewpartner bekommen ... alles das ...«
Als sie mich ansah, als wolle sie fragen, »Na, du Trottel, hast du nun endlich begriffen?«, winkte ich ab, und sie kam ohne Ãbergang zum Kern der Sache. Blätterte in einem dieser schmalen Terminkalender und wollte wissen: »Welcher Tag war es, über den Sie eine Frage hatten?«
Ich warf schnell einen Blick in meine Notizen. Sagte ihr das Datum von Mià Silvas Kalenderblatt, auf dem »Ausfall wg. Fernsehrep.« notiert gewesen war.
»Reportage sagten Sie?«
»Fernsehrep. Wörtlich.«
Sie nickte. Blätterte. Fand den Tag. Suchte weiter. Sah mich nach einer Weile an. Sagte: »Eine der einfacheren Ãbungen, Mister. Nur ein Team zu einer Reportage unterwegs gewesen, an dem Tag. NZTC. Ab zehn Uhr. Karateschule. Hilft Ihnen das?«
In meinem Kopf schlug eine Glocke an. Ich erinnerte mich an Mià Silvas Karate-Dress.
»Karateschule?«
»Hm, ja. Drüben in Yau Ma Tai. Pitt Street, Ecke Canton Road. Am Taifunhafen. Wollen Sie die Aufnahmen sehen? Ich kann mit den Leuten von NZTC sprechen, wegen einer Vorführung. Die Neuseeländer sind recht zuvorkommend ...«
»Nein, danke!« wehrte ich ab. Ich würde dieser Karateschule ohnehin einen Besuch abstatten. War noch neugieriger geworden, als ich vor dem Besuch bei Mià Bo schon gewesen war. Dabei gab es eigentlich keinen vernünftigen Grund, weshalb ich meine Zeit auf die Erforschung eines Freizeithobbys der letzten Ãberlebenden des Geschäftstrios Ronaldo verwendete. Trotzdem würde ich mich da umsehen. Wie ich das immer machte, wenn die Neugier in mir bohrte. Nicht selten war ja dabei schon etwas herausgekommen.
Ich notierte die StraÃennamen. Mià Bo eröffnete mir gedämpft: » Tiger Wong ist der Name des Studios.«
Ich stutzte. » Tiger Wong ?«
»Ja, richtig«, bestätigte sie freundlich. »Der Besitzer heiÃt Wong. Das âºTigerâ¹ ist Reklame. Ich telefonierte mit ihm, wegen der Aufnahmen ...«
Plötzlich begriff ich, was »Ti. Wo.« bedeutete. Das führte dazu, daà ich einige Augenblicke, in denen ich mir selbst vorwarf, gar nicht so findig zu sein, wie ich es mir immer gern bestätigen lieÃ, nicht so recht mitbekam, was Mià Bo über den Besitzer des Studios erzählte. Wie er ihr erklärt hatte, wenn die TV-Leute kämen, würde er sich freuen, es sei ja auch Werbung für ihn. Aber er müsse eben in dieser Zeit den Unterricht ausfallen lassen. Ob es denn da nicht die Chance gäbe, daà die
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