Schwarze Blüte, sanfter Tod
haben keine Ahnung. Bloà daà einer von unserer Truppe auf Verdacht den Anker lichten lieÃ. Und da war der Plastesack mit den Banknoten ...
Mein Verdacht bestätigte sich prompt, als wir den Schleppanker der »Laureen« oben hatten. Ganz unten an der Kette war, neben der Ãse des Ankers, einer dieser wasserdichten Behälter befestigt, wie man sie stets an Bord von Seefahrzeugen mitführt, vornehmlich um wichtige Dinge trocken zu halten, falls das Schiff mal Wasser nimmt.
Kalapano bastelte daran herum, bis er das Ding schlieÃlich freibekam. Es war leicht zu öffnen. Ich sah Papier, beschrieben, bedruckt, auch Fotos. Ich sah zwar keine einzige Banknote, dafür aber eine in die Linse lächelnde Francis Lee.
»Du bleibst an Deck!« forderte ich Kalapano auf. »Such dir ein Stück Holz, das sich zum Zuschlagen eignet. Wenn jemand an Bord will, verteilst du Zärtlichkeiten.«
Er lachte. Ich glaube, Henry Kalapano würde noch lachen, wenn ihm jemand sagte, sein Boot sei gesunken.
Im Ruderhaus faltete ich die Papiere auseinander und besah sie genauer.
Da gab es auÃer ein paar alten Zeitungsausschnitten, die aus südvietnamesischen Zeitungen aus der Kriegszeit stammten, mit Bildern einer singenden Francis Lee, noch eine Menge Blätter, auf denen in englischer Sprache Aufzeichnungen festgehalten waren, die sich wie Interviews ausnahmen.
Wie ich beim Lesen feststellte, beschäftigten sie sich allesamt mit dem Vorleben der Sängerin.
Bis auf wenige waren sie mit der Schreibmaschine getippt und von Vietnamesen unterschrieben. Eine Art von Protokollen. Jemand hatte sich da eine Menge Arbeit gemacht, um über die singende Frau aus Saigon alles nur mögliche herauszufinden und zusammenzutragen.
Als ich mit der Lektüre einigermaÃen durch war, hatte ich eine Unmenge biographisches Wissen im Kopf, allerdings war mir längst nicht klar, was das alles bedeuten sollte. Wen konnte es rühren, daà eine Sängerin, bevor sie das wurde, was sie jetzt war, ihr Geld auf weniger noble Art verdient hatte? Noch dazu in einem Krieg, der ohnehin alle Gesetze der Anständigkeit und des Wohlverhaltens auf den Kopf stellt, in dem es nur noch gilt, zu überleben!
Offenbar gehörten die Aufzeichnungen Wes Blair. Wie er sie beschafft hatte, war unklar. Und warum? Die Lee war schlieÃlich bei Imai unter Vertrag. War es Blair gewesen, der sie erpreÃte, um sie für seinen Musikvertrieb ausbeuten zu können? Hatte Imai davon gewuÃt? Und wenn â warum hatte er mir dann, als ich nach dem Grund für die Erpressung an der Lee fragte, nicht gesagt, daà Wes der Erpresser gewesen war? Warum hatte er mich statt dessen ersäufen wollen?
»Einiges ist mir jetzt unklarer als vor dem Fund«, gestand ich Henry Kalapano, als er im Ruderhaus auftauchte, um sich zu erkundigen, ob ich noch lange auf dem Schiff bleiben wollte. Ãbrigens sei weit und breit niemand zu sehen, den er mit Hilfe eines Knüppels etwa vom Betreten der Jacht abhalten müÃte.
Er nahm sich die Dokumente vor. Sein Urteil über diesen Fund stand fest. Jemand hatte den Behälter an der Ankerkette festgemacht, um den Inhalt gegen fremden Zugriff zu sichern. Er blätterte die Papiere durch und schüttelte verständnislos den Kopf. Einem Mann wie Kalapano sagten ein paar schriftliche Aussagen über den angeblich leichtfertigen Lebenswandel eines Mädchens nicht viel.
Ich erklärte ihm den Zusammenhang, soweit ich ihn selbst begriff. Immerhin war ich ihm das schuldig, denn er hatte sich, abgesehen davon, daà ich ihm mein Leben verdankte, als Helfer erwiesen, ohne den ich die Dokumente vermutlich nicht gefunden hätte. Also vermittelte ich ihm die Story von Francis Lee, soweit sie aus den Aufzeichnungen verschiedener Leute erkennbar wurde, die sich da über sie ausgelassen hatten.
Es war nicht einmal eine besondere Geschichte, wenn man die Verhältnisse in Vietnam in den Jahren des Krieges berücksichtigte. AuÃerdem hatte mir Laureen Blair bereits eine Menge darüber sagen können, ohne von den Papieren zu wissen. Henry Kalapano war nur unwesentlich berührt, als ich ihm jetzt den Inhalt der Dokumente darlegte:
Als der Krieg in Saigon endete, war Francis Lee neunzehn Jahre alt. Ihr Vater war einer der ersten amerikanischen Berater gewesen, die nach dem Abzug der Franzosen in die Hauptstadt des Südteils gekommen waren, und die die Aufgabe hatten,
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