Schwarze Blüte, sanfter Tod
nach der ersten Probe, ihn höflich stehenzulassen, zumal ich ohnehin immer, wenn ich Wein trank, Kopfschmerzen bekam. Pipi pflegt mich gelegentlich damit aufzuziehen. Entweder erklärt sie, aus mir würde nie ein feiner Mann mit dem Geschmack der Welt werden. Oder sie meint einfach, das Alter kündige sich an.
»Wo erreiche ich dich, wenn es nötig ist?« wollte Laureen wissen.
Aber ich konnte ihr keine Telefonnummer geben, weil Kalapanos Boot nicht angeschlossen war. So einigten wir uns darauf, daà ich mich in gewissen Abständen bei ihr melden würde.
Immerhin wollte ich mich morgen mittag mit Hana Teoro treffen, und ich hatte den Verdacht, daà sie mehr über Wes Blair sagen konnte, als daà er ihre Songs vermarktete.
»Aufstehen, du landesfremder Untermieter!« So weckte mich morgens die Stimme Kaanas. Ich lag in dem bequemen Schlafbunker, der an die Wohnkabine grenzte, und eigentlich hätte ich noch um einiges in den Vormittag hineinschlafen wollen.
Aber Kaana wischte mir eine Zeitung um die Ohren und schärfte mir ein: »Gleich lesen, sagt Henry. Er surft schon ...«
»Er surft?« brachte ich heraus.
»Ja. Irgendwo am Strand bei Koko Head. Mit zwei Schwulen.«
Ich murmelte, noch etwas schläfrig: »Was machst du, wenn er konvertiert?« Als Antwort warf sie mir das Blatt endgültig auf die Nase und verschwand mit der Bemerkung, sie müsse in ihr Buffet. Am späten Vormittag habe sie eine Menge kleiner Häppchen und sogar Frühlingsrollen an eine Gesellschaf zu liefern, die im Park am Haus eines Besitzers von siebenunddreiÃig Kinos die Taufe des ersten Enkels feierte.
Ich hoffte im Interesse des Geschäfts, das Kaana betrieb, daà dem Mann noch eine zweistellige Zahl weiterer Enkel beschert würde. Dann rieb ich mir die Augen. Guckte in den Advertiser.
Gleich auf der Titelseite wurde ich belehrt, daà der Chef der weltbekannten Tonträgerfirma Southern Islands ein Exklusivinterview gegeben hatte. In Sachen seiner verschiedenen Starsängerin Francis Lee.
Der Text erinnerte mich an das alte Sprüchlein der Kung-Fu-Mönche aus Shaolin: »Zerstöre alle Pläne deiner Feinde, dich zu besiegen, indem du sie zuerst angreifst.«
Frage: Warum und wer?
Antwort: Mià Lee hat als junges Mädchen im kriegsgeschüttelten Saigon nicht nach den heutigen Regeln leben können. Nicht wie eine achtbare Dame heute eben zu leben pflegt, in unserer friedlichen Gesellschaft mit ihren vielen traditionell geprägten Normen. Ein Krieg setzt die auÃer Kraft. So sei das auch damals gewesen. Aber es gäbe da einen skrupellosen Verbrecher, der sie heute, nachdem das alles vorbei sei, durch die gezielte Verbreitung von Lügen über jene Zeit zu Dingen zwingen wollte, die sie nicht habe tun mögen. Wahrscheinlich stamme der betreffende Schurke sogar auch aus der Musikverlegerbranche.
»Ich habe«, so erklärte Imai, »Mià Lee persönlich Mut zugesprochen, aber â wie sich erwies â hatte ich keinen Erfolg. Mià Lees Tod ist ein groÃer Verlust â blablabla â und ihre Verehrer werden ihre Lieder niemals â blablabla ...«
Es gelang mir schlieÃlich, mich aufzuraffen, unter der Dusche einigermaÃen munter zu werden und mich mit Hilfe meiner Kleidung in ein vorzeigbares Exemplar der Gattung Mensch zu verwandeln.
Bei den Donuts, die Kaana für mich gebacken hatte, streng nach dem amerikanischen Rezept, wie es sich für eine Bürgerin des fünfzigsten Bundesstaates gehörte, und bei einem Topf angenehm bitterem Kaffee, von dem ich annahm, der könnte aus indischem Import stammen, überlegte ich, was Mister Imai mit diesem als Nachruf getarnten Sprung nach vorn wohl alles bezweckte.
Keine Frage, Kaanas Angebot hatte ihn aufgeschreckt. Er rechnete mit einer Teufelei, wuÃte aber nicht genau, wie sie aussehen würde. Nun baute er vor für den Fall, daà Kaana mit den angekündigten Papieren nicht mehr erschien oder er sich nicht mit ihr einigen könnte. Wollte er inzwischen Mitleid mit der Lee erwecken? Verständnis für Verfehlungen, von denen man nichts genaues erfuhr, und die dann später, wenn sie publiziert wurden, niemanden mehr vom Stuhl reiÃen sollten, weil man schon zu lange auf sie vorbereitet war? Wollte er Rochus auf den Erpresser wecken? Sicher. Wobei er geschickt ausschloÃ, daà natürlich auch er selbst es gewesen sein
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